Mit Slogans wie "Erzwungene Mutterschaft = Frauenversklavung" und "Abtreibung ist Gesundheitsfürsorge" haben Tausende Frauen in den USA am Jahrestag von Roe vs. Wade für das Recht auf Abtreibung protestiert. Die landesweiten Demonstrationen fanden im Rahmen des alljährlichen Women's March statt, einer Protestaktion gegen sexuelle Übergriffe und Sexismus, die 2017 nach der Wahl von Präsident Donald J. Trump entstanden war.
In der Rechtssache Roe vs. Wade hatte der Oberste Gerichtshof der USA am 22. Januar 1973 Frauen ein landesweites Grundrecht auf Schwangerschaftsabbruch zugestanden. Im vergangenen Juni hatte der Supreme Court diese Entscheidung mit seiner konservativen Mehrheit gekippt und den einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit gegeben, eigene Regeln zu erlassen. Rund 20 konservative Bundesstaaten haben seither Abtreibungen verboten.
Demonstrantin nennt Abtreibung "grundlegendes Menschenrecht"
Der Hauptmarsch am Sonntag fand in Wisconsin statt, wo die bevorstehenden Wahlen über die Machtverhältnisse am Obersten Gerichtshof des Bundesstaates und damit auch die künftigen Abtreibungsrechte entscheiden könnten. Aber auch in vielen anderen Landesteilen gab es Kundgebungen, darunter in Washington, New York und in Floridas Landeshauptstadt Tallahassee.
In Wisconsin marschierten trotz eisiger Temperaturen Tausende Abtreibungsbefürworter durchs Zentrum der Hauptstadt Madison zum Kapitol und besetzten vorübergehend dessen Rotunde. "Es geht hier einfach um grundlegende Menschenrechte", sagte Alaina Gato, eine Einwohnerin von Wisconsin, die zusammen mit ihrer Mutter Meg Wheeler auf den Stufen des Kapitols protestierte, der Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Und Wheeler erklärte, sie werden bei den Wahlen zum Obersten Gerichtshof im April ihre Stimme abgeben und sich freiwillig als Wahlhelferin zur Verfügung stellen und für die Demokraten werben, obwohl sie eine unabhängige Wählerin sei. "Das ist meine Tochter", sagte Wheeler. "Ich möchte sicherstellen, dass sie das Recht hat, selbst zu entscheiden, ob sie ein Kind haben möchte."
Eliza Bennett, eine Gynäkologin aus Wisconsin, die nach der Aufhebung von Roe vs. Wade ihren Patientinnen keine Abtreibungen mehr anbieten darf, forderte die Gesetzgeber auf, die Entscheidung wieder in die Hände der Frauen zu legen. "Sie sollten entscheiden, was das Beste für ihre Gesundheit ist, und nicht der Gesetzgeber."
Für einige ist es zum Heulen, andere lassen die Korken knallen: So reagierten die US-Bürger auf das Urteil des Supreme Courts

Eine Demonstrantin erschien sogar schwer bewaffnet zu der Kundgebung. Lilith K., die ihren Nachnamen nach Angaben von AP nicht nennen wollte, brachte ein Sturmgewehr und eine Pistole mit und trug eine Kampfweste. "Bei allem, was mit Frauen und anderen Menschen passiert, die ihre Rechte verlieren, und bei den jüngsten Schießereien [...] ist es einfach eine Botschaft, dass wir das nicht einfach so hinnehmen werden", sagte sie.
Biden und Harris geben sich kämpferisch
Auch US-Präsident Joe Biden nutze den Jahrestag für eine Botschaft: Der Kampf für das Recht auf Abtreibung sei "nicht vorüber", twitterte er am Sonntag. "Eigentlich hätten wir heute den 50. Jahrestag von 'Roe v. Wade' feiern sollen", schrieb Biden. Stattdessen führten republikanische Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump "einen Krieg gegen das Recht der Frauen, selbst über ihre Gesundheitsversorgung zu entscheiden". Er habe stets für den Schutz des Rechts auf Abtreibung gekämpft und werde dies auch weiterhin tun, schrieb der Präsident und forderte den Kongress auf, ein Gesetz zu verabschieden, das das Grundrecht auf Abtreibung festschreibt. Doch da die Republikaner seit den Zwischenwahlen die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, hat ein solches Gesetz praktisch keine Chancen auf Erfolg.
In Tallahassee hielt Vizepräsidentin Kamala Harris eine leidenschaftliche Rede vor Befürwortern der Abtreibungsrechte: "Wie können sie es wagen?", rief Harris und griff unter lautem Beifall die jüngsten Gesetze zur Einschränkung der Abtreibung an, die von "Extremisten, auch in Staaten wie Florida", verabschiedet würden. "Können wir wirklich frei sein, wenn Familien keine intimen Entscheidungen über den Verlauf ihres eigenen Lebens treffen können? Und können wir wirklich frei sein, wenn sogenannte Führer behaupten, 'an der Spitze der Freiheit' zu stehen, während sie es wagen, die Rechte des amerikanischen Volkes einzuschränken und die Grundlagen der Freiheit anzugreifen? [...] Wir werden nicht nachgeben", versicherte sie.
In Florida hat der Erzkonservative Gouverneur Ron DeSantis, der als möglicher Bewerber der Republikaner bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gilt, Abtreibungen nach der 15. Woche verbieten lassen – ohne Ausnahmen bei Inzest oder Vergewaltigung.
Quellen: "New York Times", Associated Press