"Ich dachte, ich würde niemals eine Abtreibung benötigen", sagte Kate Cox vergangene Woche in einem Interview. "Ich möchte eine große Familie." Kurz zuvor hatte die schwangere US-Amerikanerin erfahren, dass der Fötus in ihrem Bauch totkrank ist. Diagnose: Trisomie 18.
Trisomie 18 ist nicht heilbar. Es ist eine genetische Erkrankung, die die Entwicklung des Kindes stört und Fehlbildungen der Organe verursacht. Die meisten Kinder sterben entweder noch im Bauch, werden tot geboren oder versterben kurz nach der Geburt.
Zu Cox eigener Sicherheit riet ihre Ärztin der zweifachen Mutter deshalb zu einer Notabtreibung. Doch Kate Cox lebt in Texas – ein Bundesstaat mit einem der strengsten Abtreibungsgesetze in den Vereinigten Staaten. Abtreibungen sind verboten, außer die Schwangerschaft gefährdet das Leben der Mutter. "Solange das Baby einen Herzschlag hat, kann man in Texas im Grunde nichts tun", fasste Kate Cox das Gesetz zusammen.
Abtreibungsgesetz in Texas ist laut Kritikern unklar formuliert
Hinzukommt dass der Gesetzestext schwammig formuliert ist, monieren kritische Stimmen. Einige Ärztinnen und Ärzte führen deshalb auch keine medizinisch notwendigen Abtreibungen mehr durch, aus Sorge angeklagt zu werden. Dann drohen der Verlust der Approbation, hohe Geldstrafen - oder sogar eine langjährige Haftstrafe von bis zu 99 Jahren.
Kate Cox, zu diesem Zeitpunkt in der 20. Woche schwanger, zog also vor Gericht – der erste Gerichtsfall einer medizinischen Ausnahme in Texas. Sie wollte ihre Ärztin schützen, bei der sie sich in guten Händen fühlte, sowie ihren Mann, der dem Gesetz zufolge ebenfalls für Beihilfe angeklagt werden könnte. Und sie wollte die medizinisch empfohlene Abtreibung in ihrem Umfeld vornehmen lassen, damit sie sich zuhause erholen könnte.
Was folgte, war ein kurz währender Sieg. In der ersten Instanz bekam Cox recht. Doch nur wenige Stunden nach dem Urteil schritt Generalstaatsanwalt Ken Paxton ein, ein Republikaner. Paxton legte Berufung ein und zog vor das höchste Gericht in Texas, um die Abtreibung aufzuhalten.
Und er schüchterte die begleitende Ärztin Damla Karsan ein. Er schrieb Briefe an drei Kliniken in Houston, in denen diese Patientinnen betreut. Das berichtete unter anderem die "New York Times". Noch vor einer Entscheidung des höchsten Gerichts enthielten die Briefe den Hinweis, das Urteil der ersten Richterin sei vorläufig und würde die Ärztin nicht vor einer Strafverfolgung schützen.
Cox musste wieder tagelang abwarten, trotz körperlicher Beschwerden. Die vergangene Woche sei "die Hölle" für die junge Mutter gewesen, erklärte Nancy Northup am Montag. Northup ist Präsidentin des Zentrums für reproduktive Gesundheit, welches Kate Cox und ihre Angehörigen juristisch vertritt. Die Schwangere habe deshalb Texas noch vor dem Gerichtsurteil verlassen, um den medizinisch notwendigen Eingriff in einem anderen Bundesstaat vornehmen zu lassen.
Kate Cox musste den Bundesstaat verlassen
Mehrfach war Cox wegen Blutungen und Krämpfen in der Notaufnahme gewesen. "Ihre Gesundheit steht auf dem Spiel. Sie ist in der Notaufnahme ein- und ausgegangen und konnte nicht länger warten", so Northup. "Das ist der Grund, warum Richter und Politiker nicht über die Gesundheitsversorgung von Schwangeren entscheiden sollten – sie sind keine Ärzte."
Noch vor der Gerichtsentscheidung selbst sagte Cox in einem Interview, sie sei tief traurig. "Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Körper nicht den Risiken aussetzen sollte, diese Schwangerschaft durch eine Geburt und eine Einleitung mit der Möglichkeit eines Gebärmutterrisses [...] fortzusetzen."
Mittlerweile hat das Oberste Gericht in Texas entschieden – gegen Kate Cox. Die Begründung der begleitenden Ärztin hielt das Gericht für nicht ausreichend, heißt es in einer Erklärung vom Montagabend. "Alle Eltern wären am Boden zerstört, wenn sie von der Diagnose Trisomie 18 bei ihrem ungeborenen Kind erfahren würden", schreibt das Gericht darin. "Einige Schwierigkeiten in der Schwangerschaft, selbst schwerwiegende, stellen jedoch nicht die erhöhten Risiken für die Mutter dar, die die Ausnahme umfasst."
50 Jahre nach Roe vs. Wade protestieren Frauen in den USA wieder für das Recht auf Abtreibung

Seitdem der US-Supreme Court das wegweisende Urteil "Roe v. Wade" gekippt hat und damit das Abtreibungsrecht den einzelnen Bundesstaaten überlässt, ist die Gesetzgebung ein Flickenteppich. Wenn Schwangere es sich leisten können, verlassen sie oft besonders restriktive Bundesstaaten wie Texas, um einen Abbruch woanders vornehmen zu lassen. Gab es in Texas im Jahr 2020 etwa 50.000 Abbrüche, waren es laut einer offiziellen Gesundheitsstatistik in diesem Jahr bis September lediglich 34.
Doch eine Reise ist finanziell nicht für alle möglich, kritisiert auch das Zentrum für reproduktive Gesundheit. "Frauen sind gezwungen, vor Gericht um dringende medizinische Versorgung zu betteln. Kates Fall hat der Welt gezeigt, dass Abtreibungsverbote für Schwangere gefährlich sind und dass Ausnahmen nicht funktionieren", teilt Nancy Northup mit. "Kate hatte zwar die Möglichkeit, den Staat zu verlassen, aber die meisten Menschen haben diese Möglichkeit nicht, und eine Situation wie diese könnte ein Todesurteil bedeuten."
Quellen: Center for Reproductive Rights, Texas Supreme Court, Texas Health and Human Services, "New York Times"