Botellón Die Schweizer trinken spanisch

  • von Katharina Schönwitz
In Spanien gehört es für junge Leute zum Wochenende dazu, für viele Schweizer seit neuestem auch: Botellón. Gemeint ist ein Trinkgelage unter freiem Himmel mit möglichst vielen Leuten. Allerdings entpuppten sich nun viele Schweizer als Schönwettertrinker.

Das erste schweizerische Botellón war aus der Sicht des Initiators ein Riesenerfolg. Mehr als 1000 Leute waren dem Aufruf von Javier Martinez über das Internetportal Facebook gefolgt und hatten sich im Parc aux Bastiones in Genf getroffen. Was das wichtigste Mitbringsel zu einem Botellón ist, war auch für die Schweizer schnell klar: Alkohol. Die ganze Nacht über saßen die meist 20- bis 30-Jährigen im Park beisammen, bis alle Flaschen geleert waren. Doch während die Besucher der eidgenössischen Premiere restlos begeistert waren, bezeichneten Schweizer Zeitungen das Ganze als "Massenbesäufnis", nach dem es wie im "Schweinestall" ausgesehen habe.

Die Idee dazu hatte ein Student, Javier Martinez, aus seiner Heimat Spanien mitgebracht. Dort treffen sich seit Anfang der 90er Jahre Jugendliche regelmäßig zum "Warmtrinken" auf Plätzen oder Parks, um beim anschließenden Besuch in Diskotheken oder Bars Geld zu sparen. Die selbst gemischten Getränke bringen die Besucher meistens in 1,5 Literflaschen mit, woraus sich auch der Name der Trinkgelage ergibt; Botellón heißt im spanischen soviel wie "große Flasche".

Seit 2002 sind in Spanien auch sogenannte Macrobotellones bekannt, bei denen sich teilweise tausende Teilnehmer versammeln. Dabei gibt es inzwischen eine Art Wettbewerb der Organisatoren, wer die größte Menschenmenge anlockt. Der bisherige Rekord wurde im März 2004 in Sevilla erreicht, als ungefähr 70.000 Personen zusammenkamen. Seit 2006 sind die Botellones in Andalusien allerdings verboten, denn in Spanien kann jeder Landesteil selber festlegen, ob das Trinken auf Straßen erlaubt ist oder nicht.

Lehrer und Eltern riefen zum Boykott auf

Doch in der Schweiz geht es erst so richtig los. Denn was in Genf und Spanien funktioniert, müsste doch auch in Zürich klappen, dachte sich der 17-jährige Jan F. und rief ebenfalls zu einem Botellón für Ende August über Facebook auf. Doch mit dem Medienrummel, der danach über ihn hereinbrach, hatte er wohl nicht gerechnet. Denn während über 2000 Leute ihr Kommen zusagten, riefen Eltern und Lehrer zum Boykott auf, Behörden und Polizei überlegten zwischenzeitlich, Botellones ganz zu verbieten. Davon ist der Zürcher Stadtrat inzwischen abgekommen. Man wolle "keinen Krawall inszenieren und keinen Krieg gegen Jugendliche führen", sagte der Stadtpräsident Elmar Lederberger dem Schweizer Tagesanzeiger. Allerdings hat der Stadtrat veranlasst, dass die Kosten für Reinigung und medizinische Betreuung den Verursachern in Rechnung gestellt werden.

Jan F. löschte seinen Aufruf

Jan F. wurde es bei dieser Drohung wohl inzwischen mulmig, und er löschte seinen Aufruf bei Facebook. Doch dies dürfte egal sein, denn Ort und Datum sind inzwischen in zahlreichen Internetforen zu finden, wo ein reger Meinungsaustausch zu dem Thema herrscht. So schreibt zum Beispiel ein "Hans Wurst": "Seit ich das letzte Mal in einem Club sechs Franken für eine Cola und zehn Franken für ein Bier abgelegt habe, kann ich diese Guerilla-Trinker verstehen. Also hingehen!".

Dass viele hingehen werden, glauben nicht wenige in den Foren, denn am 29. August ist der letzte Prüfungstag an der Universität - und für viele Studenten ein Grund, "mal richtig mit ein paar Bierchen und Wein den ganzen Stress runterzuspülen und einfach feiern, dass es geschafft ist". Und auch in Bern, Chur und Lausanne laufen die Planungen für ein eigenes Botellón auf Hochtouren. Doch während die schweizerischen Politiker noch rätseln, wie sie das Phänomen in den Griff bekommen, hat sich beim dritten Genfer Botellón das Problem von ganz alleine gelöst. Anstatt der paar tausend Feierwütigen kamen nur ein paar hundert. Der Grund: Es regnete.

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