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Nach viralem LinkedIn-Post Der Pilot, der der ganzen Welt Hoffnung macht: "Es gibt Momente im Leben, die einen stärker machen"

Pilot Morris Ogg postet seine Geschichte auf LinkedIn, von dort nimmt sie ein Eigenleben an, und macht vielen Menschen in der ganzen Welt Hoffnung.
Pilot Morris Ogg postet seine Geschichte auf LinkedIn, von dort nimmt sie ein Eigenleben an, und macht vielen Menschen in der ganzen Welt Hoffnung.
© privat
Als der niederländische Pilot Morris Ogg aufgrund der Coronakrise seinen Job veliert, will er mit seiner Geschichte eigentlich nur seine Berufskolleg:innen motivieren, niemals aufzugeben. Mit seiner Botschaft aber erreicht er die ganze Welt. Wir haben mit ihm gesprochen, wie ihn die Coronakrise beflügelt hat, und warum er jetzt Angebote als Coach bekommt.

Herr Ogg, Sie sind eigentlich Berufspilot, der seinen Job im März 2020 aufgrund der Coronakrise verloren hat. Davon haben Sie sich aber nicht einschüchtern lassen und jobbten in den letzten 15 Monaten überall dort, wo Sie gebraucht wurden. Ihre Geschichte haben Sie bei LinkedIn gepostet, um Ihren Berufskolleg:innen Hoffnung zu machen. Heute fliegen Sie wieder. Ihr Post ging derweil viral. Über 100.000 User haben auf Ihren LinkedIn-Post reagiert, 4.000 Kommentare wurden hinterlassen und über 6 Millionen Menschen haben ihn gesehen. Haben Sie solch eine Reaktion erwartet?

Ogg: Es ist völlig irre, so etwas hätte ich nie erwartet. Ich bin einer von vielen, die ihren Job in der Coronakrise verloren haben. Eigentlich wollte ich nur ein Bewusstsein dafür schaffen: Wer weitermacht, wer seine Fähigkeiten weiter schult, wird zeitnah eine Chance auf ein Bewerbungsgespräch haben. Dafür sollte man sich jederzeit fit machen und bereit sein. Das war eigentlich meine Botschaft. Dass diese so viele Menschen erreichen würde, hätte ich nie gedacht. Aber ich freue mich natürlich sehr darüber.

Im März 2020 haben Sie schließlich erfahren, dass Sie arbeitslos sind. Und für eine unbestimmte Zeit am Boden bleiben müssen. Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich war natürlich schockiert. Eigentlich wollte ich gerade mit meiner Frau, die als Stewardess arbeitet, nach Amsterdam ziehen, weil wir dort ein Angebot bei einer europäischen Airline bekommen hatten. Die teilte uns schließlich mit, dass sie uns aufgrund der Pandemie nicht mehr anstellen könne. Das konnten wir verstehen, aber wir hatten gerade eine Wohnung in Amsterdam angemietet und wussten nicht, wie wir die Miete aufbringen sollten.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Wir wollten uns zwei Wochen Zeit geben, um in Ruhe zu überlegen, was unsere nächsten Schritte sind. Aber wir blieben nicht zu Hause sitzen, sondern machten viel Sport und aßen abends gemeinsam mit Freunden. In solch einer Situation muss man aufpassen, dass man nicht daran zerbricht. Aber es sind auch diese Momente im Leben, die einen stärker machen.

Der Staat hilft in solchen Momenten ja auch ...

Ja, aber ich habe zwei gesunde Hände und Beine, ich wollte dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Als Pilot ist man aber sehr eingeschränkt, was die Jobauswahl angeht. Ich bin kein gelernter Marketing-Profi und auch kein Journalist. Es braucht Zeit, um diese Fähigkeiten zu erlernen. Ich bekam bei Bewerbungen also immer die gleiche Antwort: 'Sie sind ein Pilot, wenn Sie wieder fliegen können, werden Sie das tun. Es lohnt also nicht in Sie zu investieren' ... Also arbeitete ich zuerst als Fahrradkurier für die niederländische Version von "Lieferando".

Konnten Sie davon die Miete bezahlen?

Nein. Meine Frau regelte das. Sie konnte glücklicherweise in ihrem Berufsfeld weiterarbeiten und bildete angehendes Flugpersonal aus, da sie auch einen Bachelor in Tourismusmanagement hat. Dafür zogen wir nach Maastricht, eine kleinere Stadt als Amsterdam, und die Mieten dort sind viel niedriger.

Und Sie erfüllten sich einen langersehnten Traum.

Ja, ich ging an die Uni und begann einen Bachelor für International Business. Den ich auch heute noch weitermache. Ich bin erst 30 Jahre alt, ich habe noch nicht ausgelernt - und wollte unbedingt meinen Kopf nutzen. Die Jobs als Fahrradkurier und Lebensmittellieferant sind sehr monoton. Dafür musste ich meinen Geist nicht anstrengen. Schließlich arbeitete ich neben dem Studium noch im Krankenhaus und erledigte alles, wofür man keinen medizinischen Abschluss brauchte. Das fühlte sich gut an, weil ich den Menschen etwas zurückgeben konnte, die uns durch die Pandemie halfen. Und ohne die meine Eltern vielleicht nicht mehr leben würden – und wir keinen Impfstoff hätten.

Letztlich arbeiteten Sie sogar noch als Bänker. Ein Pilot in einer Bank, wie passt das zusammen?

Ziemlich gut sogar, weil ich sowohl als Pilot als auch in der Bank analytisch denken muss. Ich half dabei Betrugsfälle und andere finanzielle Verfehlungen aufzudecken. Auch als Pilot muss ich sehr kritisch sein und mit meiner Kabinencrew kommunizieren. So bin ich auch in der Bank vorgegangen. 

Und dann kam die Erlösung: Tui hat Ihnen einen Job als Piloten angeboten.

Darüber bin ich so glücklich. Ich darf in einer 737-Boeing fliegen. Aber ich bin auch sehr froh, über das vergangene Jahr, das mich gelehrt hat, wie sehr man sich an Gegebenheiten anpassen kann – ohne daran zu zerbrechen. 

Nach viralem LinkedIn-Post: Der Pilot, der der ganzen Welt Hoffnung macht: "Es gibt Momente im Leben, die einen stärker machen"

Woher nehmen Sie diese positive Einstellung?

Ich bin niemand, der aufgibt. Das habe ich von meinem Vater. Als er 40 war, hatte er einen schlimmen Motorradunfall, seitdem ist sein linker Arm gelähmt. Jeder würde jetzt denken, dieser Mann saß nie wieder auf einem Motorrad. Nichts da. Er gründete seine eigene Motorradgruppe für Menschen mit Behinderung und ließ sein Motorrad so umbauen, dass es auch für ihn, mit eingeschränktem Bewegungsradius funktionierte. Und genau das sollte man im Leben tun. Wer Probleme hat, sollte sie angehen und etwas verändern. Wenn das nicht geht, sollte man sich keine Sorgen machen. Manches ist außerhalb der eigenen Kontrolle. Mein Vater konnte es nicht ändern, dass sein linker Arm gelähmt ist, aber er konnte sein Motorrad verändern und an seine Situation anpassen.

Großartige Einstellung. Wie geht es jetzt weiter bei Ihnen, was machen Sie mit Ihrer neuerrungenen Bekanntheit?

Ich bin immer noch überwältigt. Gestern habe ich den Fernseher eingeschaltet und sah plötzlich ein Bild von mir in den News (lacht). Ich kriege so viele Nachrichten von Menschen, die mit mir einen virtuellen Café trinken wollen, andere schlagen vor, ich soll als Motivationscoach auftreten. Am meisten berührt aber haben mich die Geschichten anderer, die viel beeindruckender sind als meine eigene.

Sind Sie schon wieder geflogen?

Ja, am Montag war ich auf Mallorca und heute Nachmittag fliege ich noch in die Türkei. Für die nächsten vier Monate ist das mein Job. Was danach kommt, wird sich zeigen. Ich bin für jede Möglichkeit offen.

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