Erinnerung ist nicht genug Polen und Deutschland blicken nach vorn

Griechenland mag es schlecht gehen, der EU auch. Doch Deutsche und Polen haben Grund zum Feiern. Vor 20 Jahren besiegelte ein historischer Vertrag die Aussöhnung. Heute blicken beide Länder nach vorn, denn es gibt viel zu tun in der gemeinsamen Europäischen Union.

So entspannt kann große Politik sein. Polens Präsident Bronislaw Komorowski hat gerade seine feierliche Rede zum 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages gehalten, da schlendert er mit Bundespräsident Christian Wulff schon ganz locker durch Berlin-Mitte. Von der Humboldt-Universität zum Gendarmenmarkt, dort Pause für eine Tasse Kaffee, und dann ist auch noch Zeit für ein Schwätzchen mit einer polnischen Familie.

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind gut, aktuell auch kaum belastet durch Hardliner auf beiden Seiten, aber normal sind sie natürlich nicht. Komorowski erinnert in seiner "Berliner Rede" an die historischen Belastungen, die überwunden werden mussten, damit der deutsch-polnische Vertrag zur Erfolgsgeschichte werden konnte. Millionen Tote Polen im Zweiten Weltkrieg, Nazi-Gräuel, die Vernichtung der europäischen Juden: unvergessen. Aber Komorowski sagt: "Wir haben heute ein glücklicheres Europa."

Im Kern schrieb der am 17. Juni 1991 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem polnischen Regierungschef Jan Krzysztof Bielecki geschlossene Vertrag die Grenze zwischen beiden Ländern an Oder und Neiße fest - und er sagte Polen Unterstützung auf dem Weg in die künftige Europäische Union zu. Heute sind beide Länder Partner in der Union, Berlin lobt das Verhältnis zu Polen als gleichrangig mit dem zu Frankreich, längst ist es eingebettet in die europäische Dimension.

Aktuelle Probleme wie die Griechenland-Krise beschäftigten an diesem Tag in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Komorowski und Wulff konnten sich mit Grundsätzlicherem befassen. Sie schlugen vor dem Solidarnosc-Denkmal an der Seite des Reichstags den Bogen zur polnischen Demokratiebewegung, die den Fall des Kommunismus in Osteuropa einläutete, und zum 17. Juni 1953, dem Tag des Arbeiteraufstandes in der DDR.

Störfeuer zur Harmonie-Veranstaltung gab es nicht. Gerade noch rechtzeitig vor dem Jahrestag hatten Berlin und Warschau einen langwierigen Streit beigelegt und sich auf eine stärkere Unterstützung der jeweiligen Minderheiten geeinigt. In Deutschland soll nun unter anderem ein Dokumentationszentrum für Kultur und Geschichte der Polenstämmigen entstehen. Zudem soll ein echter Schwachpunkt angegangen werden: mehr Polnischunterricht in Deutschland. Denn während in Polen an fast allen Schulen Deutsch gelernt wird, ist Polnischunterricht für deutsche Schüler die absolute Ausnahme.

Niemand wollte an diesem Tag in Berlin den Erfolg der deutsch-polnischen Aussöhnung in Frage stellen. Aber klar war auch, dass nun entschlossener in die Zukunft geblickt werden soll. Polen wünscht sich von Deutschland starke Unterstützung während seiner am 1. Juli beginnenden EU-Präsidentschaft. "Die Polen sind hoch nervös", sagt ein Europapolitiker. "Es würde gut ankommen, wenn Deutschland die Polen hier unterstützt." Das könnte auch durch Stärkung des Weimarer Dreiecks zwischen Polen, Deutschland und Frankreich geschehen. Sich gegenseitig mit Respekt und "auf Augenhöhe" zu begegnen, dieser Wunsch wird von Polen immer wieder geäußert.

Insgesamt sind die Voraussetzungen für eine weitere Verbesserung der Beziehungen nicht schlecht. Wie es ein polnischer Diplomat formuliert: "Nach einer pro-amerikanischen Phase kommt jetzt eine europäische Phase in der polnischen Politik." Das wäre auch in deutschem Interesse.

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Thomas Lanig, DPA

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