Polizei-Skandal in Bremen Islamismusverdacht: Christliche Familie stundenlang festgesetzt

Einer Christen-Familie wird ein Trip nach Bremen während des Antiterroreinsatzes unvergesslich bleiben. Sie wird unter Islamismusverdacht festgesetzt. Bedenklich: Kontakt zum Anwalt wird verweigert.

Bremen, 28. Februar 2015. Die Innenstadt ist voller schwer bewaffneter Polizisten. Es gibt konkrete Hinweise, dass islamistische Attentäter in der Stadt sind. Angeblich ist ein Anschlag auf den Dom, die Domsheide - eine zentrale Bus- und Bahnhaltestelle - oder die Synagoge geplant. Die Atmosphäre ist angespannt. Kein guter Zeitpunkt für einen unbeschwerten Familienausflug in die Bremer City. Genau das aber hat die Bremerhavener Familie Hanna getan - mit äußerst unangenehmen Folgen.

Der 29-jährige Mario Hanna wollte mit seiner Frau, Eltern und Schwiegereltern den Dom besuchen - die Hannas sind gläubige Christen. Gegen 16 Uhr trafen sie am Bremer Wahrzeichen ein. Dass das Kirchenbauwerk wegen des Terroralarms geschlossen war, hatten sie trotz der Berichterstattung in Radio, Fernsehen und Internet offenbar nicht mitbekommen. Unverrichteter Dinge gingen die sechs Familienmitglieder zurück zu ihrem Wagen. Und dort passierte es: "Polizei! Hände an den Wagen!" Schwere Waffen wurden auf die Hannas gerichtet. Schock! Festnahme! Alle wurden ins Polizeipräsidium gebracht, Mario Hanna sogar in eine Einzelzelle, berichtet Radio Bremen.

"Mehr Christsein geht nicht"

Und dort, im Polizeigewahrsam, blieb die Familie über viele Stunden. Während der gesamten Zeit wurde ihr nie die Möglichkeit gegeben, einen Anwalt zu kontaktieren. "Das ist ein erheblicher Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze", sagt der Rechtsbeistand der Familie, der Bremer Strafrechtler Florian Burgsmüller dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Immerhin erfuhren Hannas während ihrer Zeit im Gewahrsam den Grund für die Festnahme: Die Familie war mit einem blauen Mercedes-Lieferwagen Viano mit französischem Kennzeichen unterwegs. Ein Fahrzeug dieses Typs stand auf der Fahndungsliste der Polizei. Allerdings: Die Durchsuchung des Wagens ergab nichts Verdächtiges, das Auto ist auf Hannas Bruder zugelassen, der in Frankreich ein Restaurant betreibt. Ein Missverständnis also. Doch die Polizei blieb unnachgiebig, ein konkreter Vorwurf wurde nicht geäußert und Mario Hanna bis zwei Uhr nachts in der Zelle festgehalten. Der mit einem Spenderherz lebende Vater und die an einer Schilddrüsenkrankheit leidende Schwiegermutter mussten im Laufe des Abends ins Krankenhaus gebracht werden.

Hanna stammt aus Syrien, seit elf Jahren lebt er bereits in Bremen. Für den Polizeieinsatz hat er grundsätzlich Verständnis, nicht jedoch für das Vorgehen der Beamten. Denn auch der Islamismusverdacht sei absurd. "Wir hatten alle Papiere dabei, am Spiegel und am Zündschlüssel hängen Kreuze", berichtet er dem NDR. Und: "Wir sind Aramäer, sprechen also noch die Sprache von Jesus. Mehr Christsein geht nicht." All' das hätten die Polizisten rasch herausfinden können. Stattdessen: Quälende Ungewissheit und Angst.

Polizei hält sich bedeckt

Die Bremer Polizeibehörde will den Vorfall bisher weder bestätigen noch dementieren. Die Vorwürfe würden derzeit überprüft, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem NDR. Und weiter: "Die einschreitenden Beamten sind aufgefordert, Stellungnahmen abzugeben. Sobald danach erkennbar ist, was sich tatsächlich zugetragen hat, erhält der Betroffene bzw. sein Anwalt zeitnah eine Antwort."

Hannas Anwalt Burgsmüller hat derweil einen umfangreichen Beschwerdebrief an Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) geschrieben. Außerdem überlege er, ob der Polizei Freiheitsberaubung vorgeworfen werden könne. Hannas Frau, seine Eltern und Schwiegereltern mussten sich am Tag nach der Festnahme erneut in Behandlung begeben. Ihnen wurden Medikamente verordnet - gegen Angstzustände.

dho

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