Olga (22) aus Petersburg sucht über das Internet eine dauerhafte Bindung, Tatiana (28) aus Minsk einen Mann zur Familiengründung: Der Heiratsmarkt zwischen russischen Frauen und deutschen Männern blüht. Viele Russinnen erhoffen sich von der Hochzeit den Sprung in eine bessere Welt. Das Interesse deutscher Männer erklärt Elvira Niesner von «Frauenrecht ist Menschenrecht» so: «Russinnen sind nicht gleich als Ausländerinnen zu erkennen und meist sehr gebildet.» So manche Heiratsmigrantin lande jedoch in einer Gewaltbeziehung, aus der sie sich mangels Sprachkenntnissen und aus Angst vor Abschiebung nur schwer wieder befreie, warnen Fachleute.
Begehrt bei deutschen Männern: Polinnen
2971 deutsch-russische Ehen wurden 2000 in der Bundesrepublik geschlossen. Das waren gut 700 mehr als noch 1995, aber nicht einmal ein Prozent aller Hochzeiten. In den meisten Fällen (2402) hatte der Bräutigam den deutschen Pass, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Begehrteste Ausländerinnen bei deutschen Männern waren Polinnen (5210 Eheschließungen). Wie viele der binationalen Ehen geschieden werden, wird nicht erhoben.
Bei den Beratungsstellen melden sich allerdings immer häufiger Frauen wie Vera: Die Ärztin aus der Ukraine habe ihren späteren Mann über eine Heiratsanzeige im Internet kennen gelernt, berichtet «Amnesty for women». Bald nach der Hochzeit habe der Hamburger angefangen, die 38-Jährige zu bewachen, ihr verboten, einen Deutsch- Kurs zu besuchen oder zu arbeiten. Im Streit schlug er seine Frau mehrfach und drohte ihr, sie durch eine fleißige und gehorsame Indonesierin zu ersetzen.
Zahlen gibt es nicht
Andere Männer nutzten die rechtliche und soziale Abhängigkeit ihrer nicht-deutschen Frau für sexualisierte Gewalt, berichtet Niesner von der Frankfurter Beratungsstelle. Solche Frauen «wenden sich meist erst dann an eine Einrichtung, zum Beispiel Frauenhäuser, wenn die familiäre Situation schon eskaliert ist und lebensbedrohlich wird», heißt es im 5. Bericht der Bundesregierung zur Lage der Ausländer. Zahlen gibt es nicht.
Viele Russinnen kommen mit völlig falschen Vorstellungen nach Deutschland: «Es gibt viele Mythen: Die denken, sie können das große Geld machen und reich zurück kehren», sagt Christa Stolle von der Frauenhilfsorganisation «terre des femmes». Die meisten ließen alles hinter sich, kämen aus armen Verhältnissen und engen Wohnungen, berichtet Hiltrud Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. «Es ist hart für sie zu sehen, wo sie bleiben, wenn sie in den Westen gegangen sind - begleitet von vielen neidischen Blicken - und dann mit leeren Taschen zurück kommen.» Nach zwei Jahren in einer ehelichen Lebensgemeinschaft bekämen sie aber ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, nach drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Viele illegal in Deutschland
Längst nicht alle Russinnen kommen über eine Kontaktanzeige, Bekannte und Verwandte oder als Touristin nach Deutschland: Viele arbeiten nach Darstellung der Frauenrechtsorganisationen illegal in Haushalten, der Gastronomie oder der Prostitution, nicht wenige, weil sie zu Hause eine Familie ernähren müssen. Einige kommen nach Erkenntnissen des Koordinationskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK/Berlin) über Schlepper ins Land: «Die Migrationsschulden liegen in der Regel bei etwa 6500 Euro.»
Manche sind Opfer von Menschenhändlern, die die Frauen mit dem Angebot auf Erwerbstätigkeit nach Deutschland locken und dann zu sexuellen Zwecken ausbeuten. Weil Menschenhandel meist nur bei gezielten Ermittlungen aufgedeckt wird, ist die Dunkelziffer extrem hoch. Unter den 987 Opfern, die das Bundeskriminalamt 2001 registrierte, stammten 73 Frauen aus Russland, 140 aus Weißrussland, 128 aus der Ukraine und 119 aus Litauen.
«Die Vorstellung von Ehe ist völlig anders als bei uns«
Zu den deutsch-russischen Lebensgemeinschaften gehört aber auch manches Spätaussiedler-Paar: Oft sei ein Partner deutschstämmig, der andere habe aber russische Wurzeln, berichtet Angela Kraft von der Caritas. Diese Ehen seien in der neuen Heimat vielen Belastungen ausgesetzt: «Der eine Partner hat Heimweh, der andere möchte Deutschland zu seinem Lebensmittelpunkt machen.» Dazu komme Alkoholmissbrauch, der sich verschärfe, weil den Männern ihre traditionellen Aufgaben wegbrächen. Die Frauen könnten sich dagegen weiter um den Haushalt kümmern. «Die Vorstellung von Ehe ist völlig anders als bei uns. Der Versorgungsaspekt spielt eine größere Rolle.»
Oft sei dazu noch das Sprachvermögen der Frauen besser, ihre Scheu vor der Bürokratie geringer und ihre Bereitschaft höher, im Krisenfall in eine Beratung zu gehen. «Es gibt viele Löcher, in die die Männer reinplumpsen.» Kraft, die seit vielen Jahren mit Spätaussiedlern arbeitet, ist sicher: «Viele trauen sich nicht, den Daheimgebliebenen zu sagen: "Hier ist das Leben so hart, bleibt lieber da."»