Mehr als drei Monate nach dem gewaltsamen Tod der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen den älteren Bruder des Mädchens erhoben. Das sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Der 23-jährige Bruder des Opfers hatte Mitte Mai seine Schwester im Stadtteil St. Georg auf offener Straße erstochen, weil das Mädchen nicht mehr nach den strengen Regeln der Familie leben wollte. Der junge Mann wurde kurz nach dem sogenannten Ehrenmord verhaftet. Er räumte die Tat bei der Polizei ein. Ein Termin für den Prozess am Landgericht steht laut Gerichtspressestelle noch nicht fest.
Morsal O., die ein Leben nach westlichem Stil führen wollte, war bereits vor der Bluttat von ihrem Bruder mehrfach zusammengeschlagen worden. In einer Verhandlung gegen den 23-Jährigen, der wegen Gewalttaten vorbestraft war, verweigerte sie aber die Aussage. Die Schülerin zog schließlich auf eigenen Wunsch bei ihrer Familie aus und lebte zuletzt in einem Jugendhaus. Ihr Bruder brachte sie dann am 15. Mai gegen Mitternacht mit zahlreichen Messerstichen auf einem Parkplatz um.
Der Mord an der 16-Jährigen, die unter der Obhut der Behörden stand, löste in Hamburg eine heftige politische Debatte aus. Die SPD-Opposition in der Bürgerschaft gab dem schwarz-grünen Senat eine politische Mitverantwortung für den Tod von Morsal O., weil die zuständigen Stellen wie Jugendhilfe, Schule oder Polizei das Mädchen nicht ausreichend vor Gewalt geschützt hätten.
Auch hätte der Bruder viel früher hinter Schloss und Riegel gebracht werden müssen. CDU und Grüne wiesen solche Vorwürfe zurück. In der Verurteilung der Tat waren sich alle Parteien einig. Bereits einen Monat nach dem Mord fasste die Bürgerschaft Beschlüsse zur Verhinderung solcher Taten.
Der Fall Morsal O. erinnerte an den aufsehenerregenden Mord an einer jungen Deutsch-Kurdin in Berlin. Sie war zwei Jahre zuvor von einem ihrer Brüder erschossen worden, weil die Familie den westlichen Lebensstil der Frau nicht akzeptierte. Der jüngste Bruder wurde rechtskräftig wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt..