Abzeichen-Verbot Hells Angels tragen wieder ihren Death Head

  • von Kuno Kruse
Den Rockern ist das Tragen ihrer Abzeichen verboten, sagen die Innenminister und setzen ganze Polizeihundertschaften zum Einsammeln der Abzeichen in Marsch. Stimmt nicht, urteilen inzwischen Gerichte.

Keines der Mitglieder des Stuttgarter Charters der Hells Angels hat sich etwas zu Schulden kommen lassen. Keiner der Rocker wurde wegen irgendwelcher einschlägigen Straftaten verurteilt, gegen keinen wurde strafrechtlich ermittelt. Und so fragten sie sich, warum ihnen das Tragen ihrer Abzeichen, wie den geflügelten Totenkopf, nun, nach 30 Jahren der Existenz ihres Clubs, plötzlich verboten sein soll. So zogen sie ihre Westen mit den geflügelten Totenkopf am Wochenende demonstrativ wieder an.

Auch wenn die Innenminister der meisten Bundesländer das Tragen der Abzeichen von Hells Angels und Bandidios verboten haben, und in Rheinland-Pfalz schon mal Hunderte von Polizisten aufgeboten werden, um den Rocker ihre Anzeichen anzunehmen, ist die Frage, ob das Tragen der Abzeichen tatsächlich verboten sein kann, noch gar nicht geklärt. Denn inzwischen sind Richter zu einer ganz anderen Rechtsauffassung gelangt, als die Innenminister. Deshalb haben die Stuttgarter Hells Angels nun erst einmal eine verbindliche Rechtsauskunft eingeholt. Darin bestätigt Rechtsanwalt Florian Albrecht, Spezialist für Öffentliches Recht, dass ihnen das Tragen der Abzeichen erlaubt sei.

Eine solche "verbindliche Rechtsauskunft" gilt, solange unterschiedliche Auffassungen noch nicht endgültig von den Gerichten geklärt sind. Voraussetzung für die Gültigkeit der Auskunft, die nun jeder Rocker schwarz auf weiß in der Westentasche stecken kann, ist, dass der Anwalt Fachmann für diesen Rechtsbereich ist.

Kutten-Verbot nur in Hamburg

Und das ist der Passauer Dozent, der sich zusammen mit dem Juristen Frank Braun von der Fachhochschule für öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen auch in Aufsätzen ausführlich mit dem Abzeichenverbot auseinandergesetzt hat. Tatsächlich ist die Grundlage für das Kutten-Verbot lediglich ein Urteil des Hamburger Landgerichts vom April vergangenen Jahres. Das hatte einem Hamburger Hells Angel aus einem neugeründeten Hamburger Charter der Hells Angels das Tragen der Abzeichen verboten. Dabei hatten sich die Richter auf das Verbot des Hamburger Ablegers des Clubs aus dem Jahr 1983 berufen. Nach einer Initiative der Berliner Staatsanwaltschaft würde dieses Urteil als überall gültiges Verbot der Abzeichen interpretiert. Dabei hatten gleichrangige Gerichte in Bayern und Niedersachen vorher bereits völlig anders entschieden. Und auch Clubs wie dem in Stuttgart, war nach dem Verbot des Hamburger Charters vor mehr als drei Jahrzehnten vom damaligen Innenministerium bestätigt worden, dass das Verbot für ihren Club nicht gelte.

Nun haben auch nach dem neuen Hamburger Urteil andere Gerichte, sei es das Amtsgericht im Schleswig-Holsteinischen Norderstedt oder das Landgericht in Berlin entschieden, dass die Hells Angels außerhalb Hamburgs ihre Abzeichen nach wie vor in der Öffentlichkeit tragen dürfen. Und auch Staatsanwaltschaften verzichten nach Auskunft von Florian Albrecht bereits in zehn ihm bekannten Fällen darauf, das Tragen der Abzeichen vor Gericht zu bringen, weil kein hinreichender Tatverdacht einer strafbaren Handlung vorgelegen habe.

Kutten wurden beschlagnahmt

Es waren nicht die Hells Angels, sondern zwei Rocker der Bandidos in Bochum, die als erste das auch gegen sie verhängte Kuttenverbot durchbrachen, indem sie sich mit ihren Westen in Begleitung ihrer Anwälte zum Polizeirevier begaben. Denn in Nordrhein-Westfalen hatten einige Staatsanwaltschaften das Hamburger Urteil kurzerhand auch gegen Bandidos angewandt. Die Kutten wurden auf dem Revier beschlagnahmt. Nun musste ein Gericht darüber entscheiden, und das entschied zugunsten der Rocker. Dabei zog der Richter einen Vergleich zu Fußballvereinen. Auch dort könnte ein einzelner Fanclub straffällig werden. Dafür dürfe man aber dann nicht der ganze Verein abstrafen und das Vereinsabzeichen nun überall verbieten.

Albrecht weist bei der Gelegenheit darauf hin, dass sich jemand der Verfolgung Unschuldigen schuldig machen könnte, auch dann, wenn die Verfolgung nur Zwischenziel zur Erreichung eines weiteren außertatbestandlichen Endzweckes ist.

Gemeint ist, wenn man, wie die Innenminister, mit politischen Zielen Jagd auf Abzeichen macht, weil man die Rocker, die diese tragen selbst nicht verfolgen kann, wenn sie sich nichts zu Schulden kommen lassen.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos