Während die Pazifik-Küste in Folge des steigenden Meeresspiegels immer mehr Land verliert, hat sich vor Papua-Neuguinea ein seltenes Phänomen ereignet: Eine neue Insel hat sich gegenüber der Küste geformt. Noch können sich Experten nicht erklären, wie das Eiland entstanden ist. Bereits jetzt ist die Insel hart umkämpft und hat zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen zwei Stämmen gesorgt.
Die neue Landmasse liegt gegenüber der Stadt Gona in der südöstlichen Provinz Oro. Wie "The Guardian" berichtet, sei das Eiland aus drei kleineren Inseln innerhalb der vergangenen beiden Jahrzehnte zusammengewachsen. Geologe Schneider Yasi vermutet, dass Sedimente, die Wind und Wasser parallel zur Küste abgelagert haben, die Grundlage für die neue Insel sind.
Stämme kämpfen um neue Insel
"Zuerst bestand das Land nur aus Korallen und Sand, jetzt gibt es Erde und Vegetation", berichtet Simon Seboda, ein einheimischer Fischer. Alles habe sich natürlich entwickelt, ohne menschliches Eingreifen. Zwei ortsansässige Stämme erheben mittlerweile Anspruch auf die Insel. Sowohl die Yega als auch die Garara fordern das Eiland für die eigene Gruppe ein.
Ein Konflikt, der nicht nur – aber auch – vor Gericht ausgetragen wird. Bei einer Schlägerei kam bereits eine Person ums Leben. Weitere Todesopfer sind nicht ausgeschlossen. Denn Stammeskriege stehen in dem Inselstaat seit Jahrhunderten an der Tagesordnung. Und die Auseinandersetzungen werden immer brutaler. Rund 750 verschiedene Volksgruppen leben in Papua-Neuguinea. Insgesamt liegt dessen Bevölkerung bei rund neun Millionen Menschen. Mehr als 800 Sprachen, die keine gemeinsame Wurzel haben, finden sich auf der Pazifik-Insel.

Die Mitglieder der Stämme identifizieren sich deshalb in erster Linie über die Sprache mit ihrer Gruppe. Für dieses ausgeprägte Zugehörigkeitsgefühl gibt es sogar einen Namen: "Wantok", abgeleitet vom Englischen "One Talk". Diese Philosophie garantiert dem Einzelnen den Schutz durch die Gemeinschaft, fordert aber auch Verpflichtungen "bis hin zu Mord und Totschlag als Rache für Auseinandersetzungen, mit denen man gar nichts zu tun hat", beschreibt ein Reporter der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nach einer Reise dorthin.
Kampf um politische Vorherrschaft
Deshalb könne eine Kneipenschlägerei in der Stadt zu einem Stammeskrieg auf dem Land führen. Welche Auswirkungen das haben kann, machte sich vor allem dann bemerkbar, als das Land seine Unabhängigkeit erhielt. Der Rückzug der Kolonialmacht Australien im Jahr 1975 habe laut Ethnologe und Pazifik-Forscher Roland Seib ethnische Konflikte wieder aufflammen lassen. Die Stammesführer kämpfen um die politische Vorherrschaft ihrer jeweiligen Volksgruppe.
Nachdem bei den Gouverneurswahlen in der Provinz Lae im Jahr 1997 Dick Mune der Nipa-Ethnie durch Anderso Agiru von den Huli abgelöst worden war, wurde der Vorwurf nach Wahlbetrug laut. Mune starb wenig später bei einem Verkehrsunfall, als er auf dem Weg zum Gericht war. Seine Anhänger sprachen von Auftragsmord. Chaos und Anarchie brachen in der Provinz aus und hielten über Jahre an.
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Mittlerweile haben die Stammeskämpfe, die vor allem im Hochland von Papua-Neuguinea ausgetragen werden, an Härte und Brutalität zugenommen. Während die Volksgruppen früher auf freiem Feld mit Pfeil, Bogen und Machete bekriegten, greifen die Stammesmitglieder heute zu Gewehren und Maschinenpistolen.
Auch Frauen und Kinder fallen den Auseinandersetzungen zum Opfer. Die "Neuer Zürcher Zeitung" berichtete 2019 von einem blutigen Konflikt, bei dem 20 Menschen ihr Leben verloren. Jährlich treiben die Stammeskämpfe tausende Einwohner in die Flucht. "Das ist ein Guerillakrieg, wo sich Feinde aus dem Hinterhalt überfallen", sagte der Polizeikommandant der Provinz, Teddy Augwi, damals der lokalen Zeitung "Post-Courier".
Jüngere Generation sorgt sich um Klimawandel
Im Falle der neuen Insel behaupten beide konkurrierenden Stämme, deren Vorfahren hätten das Festland als Erste besiedelt. Zusätzlich ist das Eiland gegenüber der Küste auch ein Streitthema zwischen der älteren und jüngeren Generation. Die Vereinigung Kikiri Local Marine Management Area (KLMMA), in der junge Menschen sich um den nachhaltigen Umgang mit dem Meer engagieren, sieht die Insel als zukünftige Attraktion für den Ökotourismus.

Die Aktivisten haben begonnen, Mangroven um die Landmasse zu pflanzen, um umliegende Feuchtgebiete und Ökosysteme zu schützen. Ein Vorhaben, das die Stammesführer gestoppt haben. Der Koordinator des Projektes Elijah Yapuri klagt im "Guardian": "Die ältere Generation wird die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr spüren." Dabei machen sich diese bereits deutlich bemerkbar.
Klimawandel sorgt für mehr Naturkatastrophen
"Wir beobachten, dass die Korallen sterben begannen und die Fischpopulation abnehmen", erzählt Fischer Seboda. Da das Wasser in Küstennähe mittlerweile zu warm für die Tiere ist, müssen die Fischer teilweise meilenweit aufs Meer hinausfahren, um genug Fisch zu fangen. Sorge um die Nahrungsgrundlage treibt die Fischer um.
Immer wieder treffen Zyklone den Pazifik-Staat. Besonders verheerende Folgen zog der Wirbelsturm "Guba" 2007 nach sich. Ganze Dörfer wurden komplett zerstört, in der Provinz Oro verloren knapp 200 Menschen ihr Leben.

In Folge des steigenden Meeresspiegels stehen andere Ortschaften regelmäßig unter Wasser. Dort, wo einst Häuser standen, befinden sich nun Sümpfe und Mangroven. Die Einwohner versuchen, sich der Flut anzupassen. Häuser müssen auf Stelzen gebaut werden. Ihre Heimat zu verlassen, kommt für Viele nicht in Frage. "Wir haben keine andere Wahl, als uns daran zu gewöhnen", sagt eine Dorfbewohnerin dem "Guardian".