In der Nacht von Samstag auf Sonntag musste die Berliner Feuerwehr ganze 16 Stunden lang den Ausnahmezustand ausrufen. Dies berichteten die regionalen Medien "Tagesspiegel", "rbb24" sowie die "Berliner Zeitung" am Montag übereinstimmend. Zwischenzeitlich habe die Feuerwehr auf Notrufe gar nicht oder nur mit zeitlichem Verzug reagieren können.
Rund 90 Mitarbeiter hätten in der Nacht zu Sonntag gefehlt, außerdem seien 21 Rettungswagen nicht besetzt gewesen, schrieb die Berliner Zeitung. Am Sonntagvormittag fehlten laut eines Berichts des Tagesspiegel sogar noch mehr Mitarbeiter.
Ausnahmezustand wird in Berlin immer öfter ausgerufen
Ein Ausnahmezustand wird dann ausgerufen, wenn die Auslastung der Rettungswagen bei 80 Prozent liegt und es länger als zehn Minuten dauert, bis diese eintreffen. Das ist bei der Berliner Feuerwehr in den letzten Jahren immer häufiger der Fall: 166 Mal rief sie laut dem Tagesspiegel dieses Jahr bereits den Ausnahmezustand aus – also an bisher fast jedem Tag des Jahres. Dies bedeutet auch, dass bereits zur Jahreshälfte fast der Rekord vom ganzen letzten Jahr gebrochen wurde: 2021 wurde der Ausnahmezustand laut "rbb24" 178 Mal ausgerufen – fast drei Mal mehr als im Jahr 2020. Da sich die Fälle seit Jahren häuften, und der Ausnahmezustand am Wochenende besonders lange anhielt, will der Vorsitzende der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), Lars Wieg, deshalb nicht mehr von einer wirklichem Ausnahme reden. "Dass wir einen Ausnahmezustand über 16 Stunden hatten, da ist dann schon die Frage: Ist das noch ein Ausnahmezustand?" sagte er gegenüber "rbb24".
Neu sei aber, dass die Feuerwehr am Samstag nach einem Notruf nur zeitversetzt oder gar keine Fahrzeuge zum Einsatzort habe schicken können, sagte Feuerwehrsprecher Thomas Kirstein dem Sender. Gegenüber dem Tagesspiegel gab die Feuerwehr sogar an, es sei "das schlimmste Wochenende in diesem Jahr" gewesen. Während des 16-stündigen Ausnahmezustandes habe sich die Feuerwehr um 40 Notrufe zunächst nicht kümmern können. Die Zustände seien so verheerend gewesen, dass die Berliner Feuerwehr am Wochenende sogar Löschfahrzeuge zu medizinischen Notfällen schicken musste, berichtete die "Berliner Zeitung".
Personalmangel, Hitze und voreilige Notrufe machen Feuerwehr zu schaffen
Zentrales Problem ist der bereits länger bestehende Personalmangel bei den Rettungsdiensten. Dieses Problem lasse sich kurzfristig jedoch kaum lösen: "Das Personal, das wir für den Rettungsdienst brauchen, hat eine Ausbildungszeit von drei Jahren. Das ist nicht so schnell zu bekommen." sagte DFeuG-Vorsitzender Wieg dazu dem Tagesspiegel. Viele Feuerwehrleute würden außerdem bald in den Ruhestand gehen – Kirstein prognostizierte gegenüber "rbb24", dass in den nächsten sieben Jahren etwa ein Viertel des Personals aus diesem Grund aufhören würde zu arbeiten.
Auch die Hitze stelle die Feuerwehr vor Herausforderungen. Vor allem ältere Menschen mache diese häufig gesundheitlich zu schaffen, sagte Feuerwehrsprecher Kirstein dem Sender weiter. Auch die erhöhte Brandgefahr aufgrund der hohen Temperaturen erschwert die Lage: "Aufgrund der Wetterlage müssen wir außerdem zusehen, dass wir den Grundschutz bei der Brandbekämpfung sicherstellen", zitiert ihn die "Berliner Zeitung".
Ein weiteres Problem sei, dass die Rettungskräfte zu vielen Einsätzen gerufen würden, die eigentlich nicht als Notfall gelten, sagte Karsten Hintzmann vom DRK Rettungsdienst Berlin dem "Tagesspiegel". Bei der Feuerwehr werde die genaue Anzahl an Notrufen, die eigentlich keine sind, nicht erhoben, weil dazu das Personal fehle, berichtet die Berliner Zeitung. Man wisse aber, dass es Menschen gebe, die jährlich bis zu 300 Mal anriefen, sagte Feuerwehr-Sprecher Kirstein gegenüber "rbb24".
Am Montag gab es laut "rbb24" erste Krisentreffen bei der Feuerwehr, in denen die Zustände vom Wochenende intern ausgewertet werden sollen. Lars Wieg forderte laut dem Sender außerdem einen baldigen Runden Tisch mit allen Beteiligten, die Berliner Politik müsse sich einschalten. Man wolle nun prüfen, auf welchen Wegen man doch noch kurzfristig an mehr Personal gelangen könne, und ob in der Notrufzentrale bei eingehenden Anrufen zu schnell der Rettungsdienst für zuständig erklärt würde, sagte ein Sprecher der Feuerwehr dem Tagesspiegel. Ebenso würden im Sommer die Hilfsorganisationen zwischenzeitlich mehr Rettungswagen und Personal zur Verfügung stellen.
Quellen: "Tagesspiegel", "rbb24", "Berliner Zeitung"