Beispiellose Großrazzia gegen die verbotene islamistische Kalifatstaat-Vereinigung: Nach eineinhalbjähriger Vorbereitung durchsuchten am Donnerstag mehr als 5.500 Polizeibeamte und Staatsanwälte rund 1.170 Wohnungen in 13 Bundesländern. Anlass war unter anderem der Verdacht auf Mitgliedschaft in einer verbotenen beziehungsweise terroristischen Vereinigung.
Ziel war der "Kalif von Köln"
Ziel der Aktion war auch der Anführer und selbst ernannte Kalif von Köln, Metin Kaplan. Bundesinnenminister Otto Schily bezeichnete die Großrazzia noch vor Abschluss der Aktion als "deutliche Warnung" an alle, "die die freiheitliche Rechts- und Staatsordnung in Deutschland missbrauchen". Mit der "erfolgreichen Unterbindung" der Nachfolgeaktivitäten der Kalifatstaat-Vereinigung sei den Gefolgsleuten Kaplans klargemacht worden, dass jeder Verstoß gegen das Verbot der islamistischen Organisation "mit aller Härte und Konsequenz strafrechtlich verfolgt wird". Nach den Worten des bayerischen Innenministers Günther Beckstein, in dessen Bundesland ebenfalls Razzien stattfanden, sollten die Maßnahmen "sowohl strafverfolgende als auch präventive Wirkung" haben.
Mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und Sachsen-Anhalt rückten am frühen Donnerstagmorgen in jedem deutschen Bundesland Polizisten und Staatsanwälte aus, um die seit langem beobachteten Zielpersonen ins Visier zu nehmen. Allein in Baden-Württemberg waren es 323 Wohnungen und Häuser, die von Landesbeamten nach Beweismitteln durchsucht wurden.
Laut Bundesanwaltschaft sind die Verdächtigen in vielen Fällen Bezieher der als aggressiv islamistisch geltenden neuen Verbandszeitung des verbotenen Kalifatstaats mit dem Namen „Beklenen Asr-l Saadet“. Ihnen wird vorgeworfen, gegen das Verbot der Kalifatstaat-Vereinigung verstoßen zu haben.
"Rädelsführer"
Um den in Köln wohnenden Kaplan und vier ehemalige Mitglieder seiner Kalifatstaat-Organisation in Braunschweig und Peine kümmerte sich im Auftrag der Generalbundesanwaltschaft das Bundeskriminalamt selbst. Kaplan wird vorgehalten, den organisatorischen und geistigen Zusammenhalt des verbotenen Kalifatstaats als „Rädelsführer“ aufrechterhalten zu haben. Laut Bundesanwaltschaft wird seit März dieses Jahres ein unter dem Namen Kaplans erschienenes Buch mit dem übersetzten Titel "Meine Mitteilungen und Ratschläge" vertrieben. Das Druckwerk gebe das Gedankengut der verbotenen Kalifatstaat-Organisation wieder.
Den vier Männer in Braunschweig und Peine wird vorgehalten, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Sie werden laut Bundesanwaltschaft darüber hinaus verdächtigt, "Anschläge auf nicht näher bekannte Ziele geplant zu haben". Die Durchsuchungen in Braunschweig und Peine dienten dem Ziel, Beweismaterial über Fortbestehen, Struktur und Arbeitsweise der Vereinigung sowie Hinweise auf konkrete terroristische Aktivitäten zu gewinnen.
Kalifatstaat seit 2001 verboten
Die Vereinigung Kalifatstaat ist seit dem 8. Dezember 2001 verboten. Schily bemüht sich zurzeit darum, den vorbestraften Kaplan in sein Heimatland, die Türkei, auszuweisen. Zur Begründung des Verbots hieß es damals, dass der Kalifatstaat "in kämpferisch-aggressiver Weise" die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes untergraben wolle. Zuvor war als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September das Religionsprivileg aus dem deutschen Vereinsrecht gestrichen worden.