Waldbrände in Griechenland Fehler bei der Brandbekämpfung: "Das Feuer auf Rhodos hätte in drei Tagen gelöscht werden können"

Ein Feuerwehrmann entfernt sich von Flammen eines Feuers auf Rhodos
Ein Feuerwehrmann verlässt das Dorf Vati auf Rhodos, als die Flammen des Waldbrandes auf ihn zukommen
© Petros Giannakouris/AP / DPA
Griechenland kämpft gegen schwere Waldbrände. Besonders schlimm ist die Lage auf der Insel Rhodos. Indes belasten Experten die Organisation im Land. "Das Feuer auf Rhodos hätte in drei Tagen gelöscht werden können", sagte ein Forstwissenschaftler gegenüber einer griechischen Zeitung.

Seit über einer Woche wüten mehrere extreme Waldbrände auf Rhodos. Orte mussten evakuiert werden, rund 19.000 Touristen wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht. Nach ersten Schätzungen von Experten wurden bislang etwa 150 Quadratkilometer Wald und landwirtschaftlich genutzte Fläche zerstört. Tierschützern zfolge fielen zahlreiche Rehe, Schildkröten und andere Wild- und Nutztiere den Flammen zum Opfer. Inzwischen helfen auch ausländische Einsatzkräfte bei den Löscharbeiten, doch das Feuer ist weiter außer Kontrolle. 

Mehrere Forstwissenschaftler sehen die Feuerwehr in der Schuld für das Ausmaß der Katastrophe. "In den ersten drei Tagen [Anm.d. Red.: nach Ausbruch des Feuers] wehte auf Rhodos fast kein Wind, das Feuer hätte gelöscht werden sollen", sagte Ilias Apostolidis, der Zeitung "Kathimerini". Er ist Forstwissenschaftler und Mitbegründer des Forschungsunternehmens Yli, das die Studien zur Wiederherstellung des Waldes in Euböa nach einem verheerenden Brand im August 2021 koordinierte.

"Am Abend hätte die Feuerwehr an der Grenze der Brandgebiete agieren müssen, um das Verbrannte vom Unverbrannten zu trennen. Stattdessen wurden diese Stellen so gelassen und es kam zum Wiederentzünden des Feuers", kritisiert Apostolidis gegenüber der Tageszeitung. "Die Feuerwehr hat versagt. Sobald sich drei oder vier Feuer auf einmal entzünden, wird sie lahmgelegt", stellt er fest. Die Feuerwehrleute hätten bloß überprüft, wann die Löschflugzeuge kämen. Sie hätten keinen Plan und gingen vor Angst vor dem Feuer nicht in den Wald. 

Der Forstwissenschaftler führt fort: "Sie vertreiben Menschen von überall, auch diejenigen, die helfen können. Anlässlich von Euböa hatten wir vorgeschlagen, dass die Behörden die Dörfer besuchen, erfassen, wie viele ältere Menschen sind und wie viele bleiben können, um eine Brandzone einzurichten und mit Kettensägen zu schneiden, wo es ihnen gesagt wird." Auf Rhodos gebe es Dörfer, die sich mit Wäldern und Bränden auskennen. Beispielsweise in Apollona, wo ein feuerfester Streifen gebaut und das Dorf so gerettet wurde. Apostolidis fordert, dass die Feuerwehr die Förster in die Waldbrandbekämpfung einbeziehen müssten. "Alle Stärken müssen genutzt werden."

Experten kritisieren Organisation der griechischen Behörden

Auch Yannis Mitsopoulos, Assistenzprofessor für Forstwirtschaft an der Aristoteles-Universität Thessaloniki und Generaldirektor der Agentur für natürliche Umwelt, sieht das Problem in der Organisation und Planung. "Brände müssen in der ersten halben Stunde bekämpft werden", sagt der Experte, der Mitglied des Komitees "Goldammer" war, "Kathimerini". Benannt nach dessen Leiter, dem Freiburger Feuerökologen Johann Georg Goldammer, wurde dieses nach dem Waldbrand in Mati nahe Athen mit mehr als 100 Toten im Jahr 2018 ins Leben gerufen. Die Forstexperten sollten die schwere Brandkatastrophe untersuchen.

Mitsopoulos erinnert an die Brände im Jahr 1997 auf Kassandra, dem ersten Fuß der Halbinsel Chalkidiki. Damals habe es 187 Feuer gegeben, dennoch seien nicht mehr als 5000 Hektar verbrannt. Die Feuerwehr habe rechtzeitig eine Ausdehnung der Brände verhindert. Nähere Angaben dazu, wie genau sie dies damals geschafft haben soll, machte er nicht. Ein Jahr später sei der zweite Fuß von Chalkidiki zur Hälfte verbrannt, obwohl es nur zwei Brände gegeben habe. "Egal wie viele Flugzeuge Sie haben, egal wie viele Feuerwehrautos Sie haben, wenn das Feuer große Ausmaße annimmt, wird es erst aufhören, wenn alles verbrannt ist", erklärt Mitsopoulos. Mit Blick auf die verantwortlichen Behörden sagt er: "Wir brauchen einen Dienst mit einem Plan und nicht mehr Löschflugzeuge."

Der Förster Giorgos Eftychidis, ebenfalls Mitglied des Goldammer-Komitees, sieht ebenfalls die Politik in der Pflicht. "Angesichts des Klimawandels wird sich nichts ändern, wenn wir uns nicht auf die Verwaltung des Waldes konzentrieren, wenn wir keine stabile Finanzierung bereitstellen und keinen Zehnjahresplan erarbeiten." Es sei so, als hätte man ein Gebäude mit einem statischen Problem und anstatt zu überlegen, wie man es stützen kann, streiche man es, mache den Garten zurecht und tausche die Steckdosen aus. "'Polizeilogik' im Umgang mit Bränden ist wirkungslos." 

Unterdessen begannen die Untersuchungen und Ermittlungen über die Ursachen, die zu den Bränden auf Rhodos führten. Darüber hinaus untersucht die Staatsanwaltschaft, ob die Führung der Feuerwehr richtig gehandelt habe, als der Brand noch kleiner war.

Rhodos: Feuerwehr braucht "dringend Hilfe"

Von der bisher verbrannten Fläche auf Rhodos liegen etwa 2800 Hektar in vier Natura-Schutzgebieten und 13.700 Hektar in zwei Wildreservaten. Der Direktorin der Dodekanes-Wälder, Kaiti Balatsouka, zufolge seien auch Teile eines Gebietes betroffen, in dem Samen angebaut werden, welche zur Wiederaufforstung von auf Rhodos heimischen Kieferbäumen genutzt werden. Außerdem brennt es im südlichen Teil der Insel, der natürliche Hauptlebensraum einer heimischen Hirschart. Einer letzten Zählung zufolge kamen die Tiere zuletzt noch auf 6500 Stück. In den vergangenen Tagen gingen Bilder toter Hirsche durchs Netz, die wohl durch das Feuer getötet wurden. Griechische Medien berichteten, dass überlebende Tiere nun in den Städten auf Futter- und Wassersuche seien.

Indes setzt sich die seit rund zwei Wochen anhaltende Hitzewelle in Griechenland fort. Temperaturen von teilweise über 40 Grad, Trockenheit und starke Winde erschweren die Löscharbeiten und fachen Brände immer wieder an. Neben Rhodos herrscht derzeit auch im Nordosten von Korfu ein schwerer Waldbrand. Die griechische Feuerwehr warnt für den morgigen Mittwoch vor einer "extremen" oder "sehr hohen Brandgefahr" in vielen Gebieten des Landes. "Wir erleben die vielleicht härtesten Tage des Sommers und die Temperaturen steigen weiter", heißt es. Angesichts der zahlreichen seit Tagen wütenden Brände im Land haben fast ein Dutzend EU-Staaten, darunter Frankreich, Polen und Italien sowie weitere europäische Staaten Hilfe nach Griechenland entsandt. Für Dienstagabend werden Feuerwehrleute aus Serbien erwartet. 

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Am Mittwoch wird ein erneuter Temperaturanstieg auf bis zu 46 Grad erwartet. "Wir brauchen dringend Hilfe, sonst brennt der Süden der Insel bis morgen komplett ab", zitiert die Deutsche Presse-Agentur einen Feuerwehrmann auf Rhodos.

Quellen: "Kathimerini", Griechische Feuerwehr, EMY, Copernicus, mit Material der DPA

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