Im Naturkundemuseum legt das Haifisch-Weibchen "Mariechen" Eier ab, ohne das Vivarium mit einem männlichen Hai zu teilen. Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die allein lebende Haidame begattet worden sein könnte, bevor sie nach Karlsruhe gelangte. Nach Untersuchungen aus München handle es sich allerdings nicht um eine Samenspeicherung, sondern um die erste bekanntgewordene Jungfernzeugung von Haien in Europa, sagte Johann Kirchhauser vom Museum in Karlsruhe am Freitag. Das Bambushai-Weibchen setze bereits seit 2001 immer wieder Nachwuchs im Alleingang. In den vergangenen Jahren waren bereits drei Fälle in US-Schauaquarien bekanntgeworden.
Jedes Jahr legt das Karlsruher Hai-Weibchen 50 bis 80 Eier ab, die weitaus meisten von ihnen sind unbefruchtet. Seit 2001 schlüpften bereits 13 Jungtiere, von denen etwa die Hälfte nicht überlebte. Im vergangenen September stellte sich schließlich der 14. Nachwuchs der Haidame ein - "nach mehreren Jahren Babypause hat uns das total überrascht", sagte Kirchhauser.
Er habe die These von der Spermaspeicherung stets bezweifelt, das Jungtier nach einem so langen Zeitraum habe ihn darin schließlich bestätigt. "Wir ließen die DNA von der Mutter, dem Baby und zwei älteren Schwestern von Spezialisten in München untersuchen", erzählt der Vivariumsleiter. "Jetzt können wir definitiv sagen, dass keine Männchen beteiligt waren. Die genetische Analyse aller vier Tiere hat eine so große Übereinstimmung, dass das ausgeschlossen werden kann."
Anders als zum Beispiel beim jüngsten bekannten Fall einer Jungfernzeugung aus einem Aquarium in Detroit (USA) geht der Karlsruher Fall nach Ansicht Kirchhausers weit über alle bisherigen Berichte hinaus. "Während in US-Aquarien nur einige Jungtiere dokumentiert wurden, konnte bei bei uns diese außergewöhnliche Fortpflanzungsstrategie über einen Zeitraum von acht Jahren belegt werden."
Ein Rätsel aber bleibt: Vor mehr als acht Jahren war auch ein Jungtier mit männlichen Geschlechtsmerkmalen unter dem Nachwuchs der Haidame. "Eigentlich wären auf diesem Wege aber nur weibliche Nachkommen zu erwarten", sagt Kirchhauser. "Das versteht niemand im Moment, das müssen wir noch untersuchen." Er will daher das tote Tier mit den Begattungsorganen in München sezieren lassen.
Die eingeschlechtliche Vermehrung - auch Jungfernzeugung oder Parthenogenese genannt - wurde bisher auch bei manchen Vogelarten, Reptilien und Amphibien nachgewiesen. Damit sind Säugetiere nach Überzeugung von Forschern die einzige Wirbeltier-Gruppe, in der die Jungfernzeugung nicht festgestellt wurde.