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Grausame Zustände Reporterin begleitet tagelang Tiertransporte – und zeigt uns die dunkle Seite der Fleisch-Produktion

Sehen Sie im Video: "Gegenseitig das Fell rausgerissen" – Reporterin berichtet von grausamen Tiertransporten an Europas Grenzen.










Also das krasse fand ich halt, dass der ganze Markt eben darauf ausgelegt ist, dass diese Tiere transportiert werden. Die werden einfach gehandelt, wie jede andere Ware auch. Die haben wahrscheinlich sehr lange nichts gegessen. Man sieht das auch ein bisschen, dass die Flanken ganz krass eingesunken sind. Die haben sich dann auch vor Stress und Hunger wahrscheinlich auch gegenseitig das Fell rausgerissen. Wir wurden im Prinzip einmal verjagt. Da ist ein Fahrer auf uns losgegangen. 
GEO Redakteurin Marlene Göring hat eine Woche lang Tiertransporte begleitet. Gemeinsam mit Tierschützern der Organisation Animals Angels hat sie an der Grenze von Bulgarien zur Türkei Tiertransporte beobachtet, abgepasst und auf Verstöße kontrolliert. Marlene, wie war die Woche für dich? Was hast du vor Ort erlebt? 
Es war ziemlich aufregend, weil also erstens für mich eine ungewohnte Situation. Wir haben mehr oder weniger im Auto gelebt, waren nur zwei Nächte im Hotel. Ansonsten wirklich die ganze Zeit im Auto. Und wir haben dann immer die Transporte abgepasst auf der türkischen Seite, weil da noch mal so ein Parkplatz war. Also so ein staubiger Platz eigentlich, wo die Tiere abgeladen wurden oft, weil die LKW immer durchsucht wurden im Grunde genommen. Und da haben wir dann geschaut, wie es den Tieren geht. Und wenn wir Verstöße festgestellt haben, dann haben wir uns immer morgens immer dahin haben, haben geschaut, welche LKWs ankommen und haben die uns dann rausgepickt, wo wir Verstöße festgestellt haben und sind ihnen dann gefolgt.
Wie genau sieht denn der Transport der Tiere von Europa in die Türkei aus? 
Das ist total unterschiedlich. Auf unserer Route war das jetzt so, dass die meisten Tiere aus Tschechien kamen oder Ungarn. Das weiteste, was wir hatten, war tatsächlich Estland. Was echt krass ist. Was normalerweise gemacht werden muss. Also nach 24 Stunden, bei Kühen ist es so 27 Stunden auf dem LKW. Danach müssen sie 24 Stunden Pause machen und dann zählt aber sozusagen die Dauer wieder von vorn. Und wir haben zum Beispiel einen Tiertransport von jungen Mastbullen aus Tschechien verfolgt. Den konnten wir auch bis zum Ende verfolgen. Deswegen wissen wir, wo der gelandet ist und durften auch in die Papiere gucken und so. Von Tschechien an den Zielort in der Zentrale. Okay, haben Sie 83 Stunden gebraucht?
Wie sind die LKW-Fahrer damit umgegangen, dass ihr sie anhaltet und kontrolliert?
Manche Fahrer haben dann waren sehr umgänglich und haben uns auch die Tiere gezeigt und erzählt, wo sie herkommen. Andere waren aber auch aggressiv und wollten uns dann sozusagen jagen. Man zieht sich dann auch zurück, weil man muss jetzt nichts riskieren. Man muss auch die Fahrer nicht konvertieren und sie von irgendwas überzeugen, sondern es geht da wirklich um die Tiere, um zu schauen, wie es denen geht. Und man nimmt sich da eigentlich eher zurück. Und uns, also wir wurden im Prinzip einmal verjagt. Da ist ein Fahrer auf uns losgegangen, da kam hupend auf diesen Platz, wo wir die mal angepasst haben, rausgefahren. Er wusste schon, dass wir da sind und ist dann sozusagen wild fuchtelnd auf uns losgegangen. Hat uns so vor sich hergetrieben.
Du hast ja einige Szenen mit gefilmt. Wie hast du die Situation der Schafe im Transporter wahrgenommen?
Wir haben jetzt keine ganz, ganz grausamen Bilder gesehen. Die es ja auch gibt und die auch passieren. Aber was das Krasse war, diese Alltäglichkeit des Leids. Weil selbst wenn die Auflagen irgendwie erfüllt sind, das heißt die Tiere jetzt nicht unbedingt überladen sind, die LKW nicht unbedingt überladen sind, ist es trotzdem nicht so, dass sie sich zum Beispiel alle hinlegen können. Und diese Schafe, das hat man gesehen. Die waren wahrscheinlich sogenannte End of Career Animals, also Tiere, die eigentlich nur noch zum Schlachter gehen oder die das System halt einfach verbraucht hat. Die sind halt so wenig wert, dass dann auch weniger auf die Umstände geachtet wird. Und die waren einfach auch die waren schon von vornherein nicht besonders fit. Die haben wahrscheinlich sehr lange nichts gegessen. Man sieht das auch so ein bisschen, dass die Flanken ganz krass eingesunken sind, die haben sich dann auch vor Stress und Hunger wahrscheinlich auch gegenseitig das Fell rausgerissen. Genau. Also diese und das sind ja noch nicht mal diese schlimmen Bilder. Aber was es wirklich gezeigt hat, oder was ich da gelernt habe, ist, dass selbst wenn eigentlich mehr oder weniger alles okay ist oder wenn es eben nur scheinbar kleine Verstöße sind, wie die Tiere werden nicht gefüttert, es gibt kein Wasser, die Einstreu reicht nicht aus. Dass das auf so langen Transporten einfach unwahrscheinlich. Viel Leid bedeutet, auch wenn wir vielleicht immer die krassesten Bilder irgendwie mit Verletzungen oder toten Tieren erwarten.
Wie ging es den eingeferchten Mastbullen in den Transportern?
Also die Verstöße, die wir gesehen haben, die waren eigentlich immer wieder das gleiche. Also dass Pausen nicht eingehalten wurden, dass die Tränken nicht entweder leer waren oder so, dass die Tiere gar nicht rankommen. Zum Beispiel wenn, dann bei LKW, die sind ja eigentlich immer mehr mehrstöckig. Und wenn, dann, die haben sozusagen eine Seite, die man so verschieben kann. Und wenn die dann blöd verschoben ist, dann ist vielleicht gerade dieser kleine Nippel, wo die Tränke ist genau blockiert von irgendwie einer Metallstrebe oder so. Also das sind Sachen, dann Futter, kein Futter lange Zeit, Einstreu nicht ausreichend und manchmal dann doch auch so voll beladen, dass sich eben nicht alle hinlegen können.
Was ist das größte Problem bei den Tiertransporten, die alltäglich stattfinden?
Also das krasse fand ich halt, dass der ganze Markt eben darauf ausgelegt ist, dass diese Tiere transportiert werden. Die werden einfach gehandelt, wie jede andere Ware auch und wie wir das. Wie wir wissen, sind die Märkte heute immer zentralisierter, immer spezialisierter. Und das es im Prinzip für den Bauern fast nicht möglich ist, zu wissen, wo eigentlich sein Tier dann hin und her verschifft wird und dass diese Wege, die hängen ja mit dem Marktsystem zusammen. Und die wären vermeidbar, wenn man tatsächlich auf regionale Produktion oder wenn man auf regionale Produktion setzt. Es ist eigentlich fast ein sinnloses Leid, was man mit der Umstrukturierung auch vermeiden könnte. Diese Pausen. Ich denke, in der EU werden die auf jeden Fall eingehalten. In den meisten Fällen, wenn diese Pause 24 Stunden Pause nach einer gewissen Zeit. Was wir aber dann festgestellt haben, sobald die EU-Grenze verlassen wird, kümmert sich da keiner mehr drum. Und das ist auch das, was Animals Angeles herausgefunden hat auf der Route nach Usbekistan. Das es zum Beispiel diese Rastplätze, die es eigentlich geben muss, die auch von den Ämtern, von dem Veterinärämtern abgesegnet werden. Dass es die gar nicht gibt.
Was muss sich in der Fleischproduktion und bei dem Transport der Tiere ändern, um das Leid der Tiere zu minimieren?
Im Idealfall kommen die Tiere an einem Rasthof an, da gibt es dann Ställe, wo die runtergelassen werden können, überdacht oder offen. Und sie müssen halt Wasser und Futter bekommen können. Und das ist zum Beispiel auch so ein Ding. Selbst wenn diese Rasthöfe gibt, ist es dann oft so, dass es zum Beispiel gar kein Futter dort vor Ort gibt. Dass man einfach wieder mehr auf regionale Produktion im Prinzip setzt. Dass es auch mobile Schlachthäuser gibt. Also manchmal sind halt einfach auch gar keine Schlachthäuser in der Nähe oder keine Mastbetriebe. Also dass man einfach wieder mehr auf regionale Produktion setzt. Und das ist eine lange, langfristige Umstrukturierung. Aber das ist machbar. Und natürlich muss man sich sagen fragen, ob Fleischkonsum eigentlich überhaupt noch angemessen ist.


Eine Woche lang hat Redakteurin Marlene Göring Tiertransporte zwischen Bulgarien und der Türkei dokumentiert. Gemeinsam mit Aktivisten hat sie Lkw stundenlang beobachtet, abgepasst und auf Verstöße kontrolliert. Hier erzählt sie vom Leid der Tiere.

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