Der Tod von drei Frühchen in der Siegener Kinderklinik bleibt rätselhaft. Einen Hinweis auf die Todesursache brachten die Obduktionen nicht. Derzeit stehen weitere Untersuchungen an - toxikologische wie auch bakteriologische, ebenso mikrobiologische. Resultate könnte es in den nächsten Tagen geben. Es kann aber auch Wochen dauern, so ein Sprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein.
Die Babys - ein Mädchen und zwei Jungen - starben in der vergangenen Woche, am 31. August und am 1. September, auf unterschiedlichen Stationen des Krankenhauses. "Der Tod des ersten Babys war für die Klinik noch kein Alarmzeichen. Man ging von einem natürlichen Tod aus", so der ermittelnde Staatsanwalt Johannes Daheim. Daher wurde der Leichnam des Mädchens noch bevor die Ermittlungen begannen, in die Türkei überführt und beerdigt. Die Eltern sind Muslime – und nach muslimischer Tradition sollen Tote innerhalb von 24 Stunden bestattet werden. Nach dem Tod des zweiten Babys schaltete die Klinik die Staatsanwaltschaft und das Gesundheitsamt ein.
Dramatischer Krankheitsverlauf bei allen drei
Die Kinderklinik in Siegen ist ein kleines Krankenhaus, spezialisiert auf Kinder- und Jugendmedizin. Gerade mal 138 kleine Patienten können gleichzeitig von 700 Ärzten, Pflegern und Therapeuten behandelt werden. Die Fassade des Gebäudes ist bunt angestrichen. Auf den Krankenhausfluren hängen Zeichnungen und Bastelarbeiten. Es gibt eine Intensivstation auf der junge Menschen versorgt werden, die dauerbeatmet werden müssen, Pflegeplätze für Kinder, die mehrfach behindert sind und eine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychatrie.
Umso stärker schockieren die Todesfälle die Klinikleitung und das Personal. Die Säuglinge waren zwischen einer Woche und sechs Monate alt. Alle drei waren krank. Woran sie litten, wollen weder Staatsanwaltschaft noch Klinik erläutern. Ihr Tod stehe nicht in direktem Zusammenhang mit den unterschiedlichen Vorerkrankungen. Der Krankheitsverlauf, der zum Tod führte, war hingegen bei allen drei Säuglingen gleich: Der Gesundheitszustand verschlechterte sich dramatisch, war nicht mehr beherrschbar. Konkreter wollen weder Staatsanwalt noch Krankenhaus werden. Die Staatsanwaltschaft sieht derzeit keinen Anlass, eine oder mehrere Stationen im Klinikum zu schließen.
Ähnliche Fälle wie 2010 in Mainz
Die mysteriösen Todesfälle erinnern an das Geschehen in der Mainzer Universitätsklinik vor einem Jahr. Im August 2010 starben dort drei Säuglinge. Auch sie litten an schweren Vorerkrankungen, die die kleinen Körper schwächten. Dann erhielten sie eine Infusion, die sie eigentlich aufpäppeln sollte. Doch Darmbakterien waren in die Flüssignahrung gelangt. Mehrere Kinder, die die verseuchte Infusion bekamen, rangen plötzlich mit dem Tod. Und Deutschland diskutierte über Hygiene in Krankenhäusern.
500.000 Deutsche infizieren sich pro Jahr in Kliniken mit Krankheitserregern, 40.000 sterben daran. Die FDP wollte noch im September eine Initiative für bundesweit einheitliche Hygiene-Vorschriften ergreifen. Das Bundesgesundheitsministerium wollte mit den Ländern zusätzliche Regelungen erörtern.
Die Mainzer Klinik zeigte 2010 ein herausragendes Krisenmanagement, informierte umfassend die Öffentlichkeit, tauschte Geräte und Personal aus, bezog die Grundsubstanzen von anderen Herstellern. Ins Visier geriet die Schlauchanlage, mit der die Infusion weitgehend maschinell hergestellt wurde. Die Bakterien wurden letztendlich an einer zerbrochenen Flasche entdeckt, aber wo genau die Keime zwischen Abfüllung und Eintreffen an der Uniklinik Mainz in die Flasche gelangten, konnte nicht geklärt werden. Erst vor wenigen Wochen, knapp ein Jahr nach dem Vorfall, konnte der Leitende Oberstaatsanwalt aus Mainz, Klaus-Peter Mieth, abschließend sagen, dass zwei Säuglinge an der verseuchten Lösung starben, das dritte Kind an seiner schweren Vorerkrankung. Ein Schuldiger wurde nicht gefunden. Die Todesfälle bleiben rätselhaft.