Wer ein Krankenhaus aufsucht, erhofft sich Hilfe und will wieder gesund werden. Doch immer neue Hygiene-Skandale sorgen für Schlagzeilen und verunsichern Patienten. Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass im Münchner Klinikum Bogenhausen über Monate hinweg nicht steriles Besteck im OP verwendet wurde. Nun sind drei Babys an der Mainzer Uniklinik gestorben. Sie alle hatten eine mit Bakterien verunreinigte Infusionslösung erhalten. Zwar ist noch nicht geklärt, wie die Keime in die Lösung gelangt sind und ob sie zum Tod der Babys führten, doch der tragische Vorfall hat eine Diskussion über die Hygiene in Krankenhäusern angestoßen.
Denn das Problem ist keinesfalls auf München oder Mainz beschränkt. Jährlich infizieren sich in deutschen Krankenhäusern 500.000 bis zu einer Million Patienten mit gefährlichen Keimen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Bis zu 40.000 Menschen sterben daran. Genau Zahlen liegen allerdings nicht vor, da es keine Meldepflicht gibt.
Ein Drittel der Infektionen wäre vermeidbar
Besonders gefürchtet sind Bakterien wie der "Staphylococcus aureus" (MRSA), der gegen das Antibiotikum Methicillin resistent und auch mit anderen Wirkstoffen nur schwer zu bekämpfen ist. Doch es muss nicht immer gleich dieser Killer sein. Laut Klaus-Dieter Zastrow von der DGKH machen mulitresistente Erreger nicht die Masse der Krankenhausinfektionen aus, sondern andere Keime, die etwa Blutvergiftungen und Wundinfektionen auslösen können. "Ihnen ist nur durch viel bessere Hygiene beizukommen", sagt er. Etwa ein Drittel der Infektionen wäre Untersuchungen zufolge vermeidbar.
Übertragen werden die Bakterien durch Ärzte, Pfleger oder Besucher. Vor allem für immungeschwächte Patienten auf Intensivstationen sind sogenannte nosokomiale, also im Krankenhaus erworbene Infektionen eine Gefahr. Die meisten Keime werden durch unzureichende Händehygiene verbreitet, sagt Walter Popp, Leiter der Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Essen und Vizepräsident der DGKH. So zeigte eine weltweite Kampagne der Weltgesundheitsorganisation für eine bessere Händehygiene im Krankenhaus, dass sich das Klinikpersonal nur in etwa 30 bis 40 Prozent der Fälle ausreichend die Hände desinfizierte. "Wir haben seit Jahren ein Problem mit der Hygiene in Krankenhäusern", kritisiert Popp. "Bis jetzt sind Warnrufe in der Politik allerdings auf keinen fruchtbaren Boden gefallen."
Bis jetzt keine verpflichtende Richtlinie
Auch wenn der ärztliche Direktor des Mainzer Klinikums, Norbert Pfeiffer, keinen Zusammenhang zwischen dem Tod der Babys und Infektionen in Krankenhäusern sieht, hat der Fall die Politiker wachgerüttelt. Sie fordern bundesweit einheitliche Hygienevorschriften für deutsche Krankenhäuser. Auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will sich jetzt der Sache annehmen und bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz gemeinsam mit den Länderministerien zusätzliche Regelungen für eine bessere Hygiene erörtern.
Zwar gibt es bereits eine Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Erarbeitet hat sie eine Kommission am Berliner Robert-Koch-Institut (RKI). Darin finden sich eine Reihe von Präventionsmaßnahmen - darunter Vorschläge zur richtigen Händehygiene, zur Desinfektion und Sterilisation, sowie zur Aufbewahrung von Lebensmitteln und zur Abfallbeseitigung. Doch diese sind nicht mehr als Empfehlungen. Verpflichtend ist die Richtlinie nicht.
Da Krankenhauspolitik Sache der Länder ist, kann jedes Bundesland für sich entscheiden, ob es sich an die Vorgaben des RKI hält und eine Hygieneverordnung für Krankenhäuser erlässt. Nur fünf von 16 Bundesländern haben dies bis jetzt getan: Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Sachsen. So sei es in Nordrhein-Westfalen ab ungefähr 200 Betten Pflicht, eine Hygienefachkraft einzustellen, sagt Popp. Ab 400 Betten sei ein Facharzt für Hygiene erforderlich. Deutschlandweit fehle es in den meisten Kliniken allerdings an ausgebildetem Hygienepersonal, kritisiert der Essener Hygiene-Fachmann. "Bis jetzt haben nur etwa fünf Prozent aller Krankenhäuser einen Hygienefacharzt eingestellt."
Bundesweite Vorschriften überfällig
"Hintergrund ist wohl, dass man Kosten sparen will", vermutet Popp. Doch seiner Ansicht nach ist das eine falsche Rechnung. Dem Hygieniker zufolge zahlt eine Klinik vier- bis zehntausend Euro drauf, wenn sich ein Patient im Krankenhaus mit Keimen infiziert - zum Beispiel für längere Pflegezeiten und mehr Medikamente. "Ein Hygieniker kostet dagegen jährlich etwa 100.000 bis 150.000 Euro, eine Summe, die sie schnell wieder heraus haben." Und die sich lohnt, wenn man bedenkt, dass so auch Leben gerettet werden.
Wie mulitresistente Krankenhauskeime wie MRSA erfolgreich bekämpft werden können, zeigt ein Blick in die Niederlande. Dort hat eine nationale Präventionsstrategie dafür gesorgt, dass Infektionen mit dem gefährlichen Erreger deutlich zurückgegangen sind.
Auch in Deutschland sind Popp zufolge bundesweit verbindliche Hygienevorschriften für Krankenhäuser überfällig. "Wir brauchen endlich Vorgaben auf Gesetzesebene, die besagen, dass die Empfehlungen des RKI umzusetzen und einzuhalten sind", sagt er. Der ideale Weg für ihn wäre es, das bereits bundesweit gültige Infektionsschutzgesetz dementsprechend auszubauen. Ob die Vorgaben eingehalten werden, sollen dem Hygieniker zufolge die Gesundheitsämter überprüfen. "Doch auch bei diesen wurde in den vergangenen Jahren Personal eingespart, die Ämter sind jetzt schon völlig überlastet", gibt er zu bedenken. Auch hier müsste die Politik also ansetzen, wenn sie es mit ihrem Vorstoß ernst meint.