Gesundheit Wie der Klimawandel unser Immunsystem verändert

Fragiles Immunsystem: Eine Fingerspitze berührt die Wasseroberfläche
Verschiedene Umweltfaktoren, wie Hitze oder Feinstaub können das fragile Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen 
© Getty Images
Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann von der Uniklinik Augsburg erklärt, wie anpassungsfähig unser Immunsystem und der Köper an klimatische Veränderungen und Extreme sind.

Frau Professor Traidl-Hoffmann, seit über 20 Jahren erforschen Sie, wie Umweltfaktoren auf unsere Gesundheit wirken. Welche spielen denn bei Autoimmunerkrankungen eine Rolle?
Von bestimmten Inhaltsstoffen in Waschmitteln wissen wir, dass sie die Hautbarriere stören und Autoimmunerkrankungen unserer äußeren Hülle begünstigen. Vor allem aber für Feinstaub haben wir gute Evidenz, dass er zum Entstehen dieser Krankheiten beiträgt.

Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Uniklinik Augsburg
Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Uniklinik Augsburg

Wie muss man sich die Wirkung vorstellen?
Die ultrafeinen Partikel führen zu entzündlichen Prozessen im Körper, wirken als chronischer Trigger.

Wie kommen wir damit im Alltag in Kontakt?
Das ist das Gemeine: Fast überall, aber man sieht, hört und riecht sie nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Grenzwerte für Schadstoffe, die WHO oder EU herausgeben, eingehalten werden. Wir müssen unsere Energie vermehrt aus sauberen Quellen generieren. Dann reduzieren wir zugleich die Schadstoffe.

Immer wieder werden auch Wirkverstärker in Impfungen als Auslöser genannt.
Durch Beimengungen wie Aluminium oder Quecksilber in Impfstoffen wird das Immunsystem "aufgestachelt", damit es besser reagiert. Die Datenlage ist aber dünn, ob solche Zusatzstoffe auch Autoimmunerkrankungen begünstigen. Beobachtungsstudien allein reichen nicht. Die Impfung ist nicht zwangsläufig Auslöser, wenn ich einen Tag später Multiple Sklerose bekomme. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wäre ich auch ohne Spritze erkrankt. Die Empfänglichkeit wird in den Genen festgelegt. Was die Autoimmunerkrankungen zum Ausbruch bringt, ist unklar.

Welche Zusammenhänge gibt es beim Darmmikrobiom?
Auch hier wissen wir noch zu wenig über Kausalitäten. Selbst wenn Studien zeigen, dass ein bestimmter Zustand des Mikrobioms mit einer Autoimmunerkrankung korreliert, bedeutet das nicht, dass das Mikrobiom die Erkrankung verursacht hat. Möglicherweise hat die Krankheit selbst es beeinflusst, etwa durch Medikamente oder einen veränderten Lebensstil wie weniger Bewegung.

Spielen bei Autoimmunerkrankungen klimatische Veränderungen eine Rolle?
Ganz sicher. Chronisch entzündliche Erkrankungen verschlechtern sich bei Hitze. Der Körper ist ständig damit beschäftigt, trotz hoher Außentemperaturen seine Körperkerntemperatur auf 37 °C zu halten. Dadurch fehlen ihm die Kräfte, die Krankheit zu bekämpfen. Bei Hitze ist auch der Schlaf weniger erholsam, was Krankheitsprozesse zusätzlich befeuert.

Was heißt das für die Zukunft?
Durch die Erderwärmung werden wir zukünftig sehr lange Hitzeperioden haben. Unser Körper ist aber nur begrenzt anpassungsfähig. Der chronisch Kranke wird bei Hitze also kränker. Der Klimawandel ist eben nicht nur ein Problem für die Eisscholle des Eisbären, sondern auch für uns und unsere Gesundheit hier in Deutschland.

Erschienen in stern Gesund Leben 1/2023

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