Unterwegs im Miracle Village So lebt es sich im Dorf der 150 Sexualstraftäter

  • von Martin Knobbe
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Hier wohnt man nicht ohne Grund. In dieser abgeschiedenen Siedlung im Niemandsland von Florida. Ryan Holland ist verurteilter Sexualstraftäter, genau wie alle seine Nachbarn. Heute hat Holland Großes vor: Zurück ins Leben finden. Wir begleiten den jungen Mann auf dem Weg in die nächstgelegene Stadt. Zu einem Bewerbungsgespräch.
HOLLAND: Hoffentlich kommen sie dahinter, dass ich keine gefährliche Person bin. Vielleicht geben Sie mir eine Chance. Das ist alles, worum ich bitte. Sie würden es nicht bereuen.
Doch beginnen wir die Geschichte von vorne. In Mitten von Zuckerrohrfeldern, wo die Gänse die Straße ungestört überqueren und Florida nicht schön ist, liegt das Miracle Village. Das Wunderdorf. Ryan Holland ist einer von rund 150 verurteilten Sexualstraftätern, die hier leben müssen. Fast völlig abgetrennt von der Außenwelt und nachdem sie ihre Strafe im Gefängnis abgesessen haben. Vom älteren Pädophilen bis zum ehemaligen Highschool-Jungen Holland. Vor fünf Jahren zeigte ihn die Mutter seiner damaligen minderjährigen Freundin ihn an.
HOLLAND: 2010 war ich 18 und hatte eine 15 jährige Freundin auf der Highschool. Die Beziehung dauerte etwa 3 Monate. Und wir hatten während dieser Zeit auch Sex. Zum Ende der Beziehung waren ihre Eltern sehr verärgert und wollten mich loswerden. Deshalb zeigten sie mich an.
Dass er mit seiner drei Jahre jüngeren Schulfreundin einvernehmlichen Sex hatte, verbietet das Gesetzt von Florida. Das Gericht verurteilte Holland zu einem Monat Gefängnis plus Bewährung. Was danach passierte, kann er bis heute nicht verstehen.
HOLLAND: Ich war so naiv, dass ich online mit einem minderjährigen Mädchen gechattet habe. In Wirklichkeit war es ein verdeckter Ermittler. Als er mit mir chattet, flirtete er sehr stark mit mir. Dann begann er mir seine Telefonnummer und seine Adresse zu geben und bat mich, doch vorbeizuschauen. Da habe ich es mit der Angst bekommen. Ich habe mich sofort abgemeldet und den Nutzer gesperrt und mich ins Bett gelegt. Am nächsten Morgen standen die Bewährungshelfer vor meiner Tür.
14 Monate kam Holland ins Gefängnis, weil er während der Bewährung mit einem minderjährigen Mädchen gechattet hatte, die in Wirklichkeit ein verdeckter Polizist war. Seit März 2014 lebt er nun im Hausarrest im Miracle Village. Zwei Jahre muss er noch bleiben. Die Siedlung ist einzigartig. Und aus der Not geboren. Wie man am Fall Holland sieht: In Florida sind die Gesetze für entlassene Sexualstraftäter besonders streng. Sie dürfen sich nicht in der Nähe von Parks, Kindergärten, oder Bushaltestellen aufhalten. Für entlassene Sexualstraftäter gibt es daher kaum eine Chance, sich unbemerkt niederzulassen. Vor allem, weil ihre Daten und Fotos in Florida öffentlich ins Internet gestellt.
HOLLAND: Das bedeutet, dass jeder meinen Namen im Netz eingeben kann und sieht, was in meiner Akte steht. Dass ich als Sexualstraftäter gelte. Dort steht auch öffentlich wo ich wohne.
Hoffentlich hört das mit dem Ende meiner Bewährung auf. Vielleicht werde ich aus dem Register gestrichen.
Ein Problem - auch für sein anstehendes Bewerbungsgespräch. Verheimlichen kann und darf der heute 23 jährige seinen Eintrag nicht. Das erste Gespräch im Fitnessstudio stimmt Holland trotzdem positiv.
HOLLAND: Es lief super. Offenbar haben sie großes Interesse. Morgen habe ich noch ein zweites Vorstellungsgespräch per Telefon.
Doch die Freude währt nicht lange. Als Holland die Beschreibung des Fitnessstudios erneut durchliest, kommen ihm Zweifel.
HOLLAND: Das Studio bietet eine Kinderbetreuung an. Das bedeutet, dass ich dort vielleicht nicht arbeiten kann. Wenn wir darauf zu sprechen kommen, wird es sich zeigen.
Die Auflagen für Holland sind nicht nur für eine künftige Arbeitsstelle besonders streng. Sondern auch im Alltag. Da bleibt für Holland nur die Gemeinschaft im Miracle Village. Eine Gemeinschaft, die offenbar funktioniert: Nur ein einziger Bewohner ist seit der Gründung im Jahr 2009 rückfällig geworden. Zurück in der Gesellschaft sind die Bewohner des Miracle Villages aber noch lange nicht. Egal was Holland macht, es wird überwacht. Eine Fußfessel und ein Wochenplan bestimmen seinen Alltag.
HOLLAND: Mein ganzes Leben dreht sich nur um diesen Stundenplan, den ich jeden Dienstag ausfüllen muss. Was nicht auf dem Stundenplan steht, darf ich nicht machen. Ich muss also meine komplette Woche im Voraus planen.
Holland träumt davon, irgendwann ein eigenes Fitnessstudio zu betreiben. Bis es so weit ist, bleibt ihm nichts weiter als mit seinem Freund Chat zu Hause zu trainieren. Im Miracle Village, einem Gefängnis ohne Mauern. Den Job im Fitnessstudio hat Holland nicht bekommen.
Das Miracle Village in Florida ist die Rettung für viele Sexualstraftäter. Das glauben mittlerweile sogar die Nachbarn. Wir haben einen von ihnen begleitet.
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Martin Knobbe

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