Unwort des Jahres Auf "betriebsratsverseucht" folgt "alternativlos"

Das Wort erwecke sachlich unangemessen den Eindruck, "dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe" - "alternativlos" ist zum Unwort des Jahres 2010 gewählt worden.

"Alternativlos" ist das Unwort des Jahres 2010. Das Wort erwecke sachlich unangemessen den Eindruck, "dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe", erklärte die Jury um den Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser am Dienstag in Frankfurt am Main. Das Gremium kritisierte zudem den Begriff "Integrationsverweigerer" sowie die Formulierung "Geschwätz des Augenblicks", mit dem ein Würdenträger der katholischen Kirche Vorwürfe sexuellen Missbrauchs weggeschoben habe.

Die Behauptung, etwas sei "alternativlos", sei im vergangenen Jahr zu häufig aufgestellt worden, erläuterte die Jury ihre Entscheidung. "Sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken." Unter anderem hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) milliardenschwere Finanzhilfen für Griechenland als "alternativlos" bezeichnet. Das Wort wurde aus 624 Vorschlägen von insgesamt mehr als 1100 Einsendern ausgewählt.

Der von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geprägte Begriff "Integrationsverweigerer" verbreite die Unterstellung, dass Migranten in größerem Umfang selbst ihre Integration verweigerten, kritisierten die Sprachexperten. Die Debatte dazu blende hingegen meist aus, "dass für eine solche Behauptung noch immer eine sichere Datenbasis fehlt und dass der Staat seinerseits für die Integration noch zu wenig tut".

Als weiteren sprachlichen Fehlgriff machte die Jury die Formulierung "Geschwätz des Augenblicks" aus. Mit diesen Worten versuchte demnach der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, in der Ostermesse des Papstes 2010 die massiven Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche beiseite zu schieben.

Das Unwort des Jahres wird seit 1991 von einer unabhängigen Jury aus Sprachwissenschaftlern ausgewählt. Gesucht werden sprachliche Missgriffe in der öffentlichen Kommunikation, die "sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen". Der Jury gehörten diesmal neben vier Sprachwissenschaftlern als ständigen Mitgliedern die HR-Journalistin Ruth Fühner sowie der Hamburger Autor und Literaturkritiker Hellmuth Karasek an. Schlosser als Initiator und bisheriger Sprecher der Jury wird sich künftig aus dem Gremium zurückziehen, neue Sprecherin der Jury wird die Darmstädter Sprachwissenschaftlerin Nina Janich.

Die Börse Düsseldorf kürte derweil den Begriff "Euro-Rettungsschirm" als Börsen-Unwort des Jahres 2010. Wortwahl und Wortbildung könnten falsche, sogar illusionäre Assoziationen wecken, hieß es zur Begründung. "Einfacher und näher an der Sache wäre es, den 'Euro-Rettungsschirm' als Notkreditlinie auf Zeit für bis über die Ohren verschuldete Staaten zu bezeichnen", erklärte die Börse.

AFP
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