Zoff am Zaun, Tumult im Treppenhaus: Streitereien sind in deutschen Nachbarschaften keine Seltenheit. Eine Umfrage eines großen Immobilienportals im vergangenen Jahr zeigte, dass sich mehr als jeder Dritte - 39 Prozent - von seinem Nachbarn schikaniert fühlt. Die Palette reicht von Klassikern wie Ruhestörungen und übertriebenen Kontrollen bis zu Beleidigungen, falschen Gerüchten, in Einzelfällen sogar Gewalt gegen Wertgegenstände oder Personen. Ein besonders skurriler Nachbarschaftsstreit beschäftigte vor kurzem das Amtsgericht München.
Überwachung im Hausflur
Eine Frau im Münchner Stadtteil Forstenried, die eine Erdgeschosswohnung in einem Mietshaus bewohnt, lag mit ihren Nachbarn seit Jahren im Dauerstreit. Sie fühlte sich verängstigt und installierte in ihrer Wohnungstür statt eines handelsüblichen Spions mit Guckloch einen elektronischen Türspion mit Videokamera, der die Bewegungen im Treppenhaus überwachte.
Tagsüber wurde das Geschehen im "Live-Modus" auf einen sich in der Wohnung befindlichen Bildschirm übertragen, die Videoaufnahmen wurden nicht gespeichert. Anders verhielt es sich in der Nacht: Wenn die Frau schlafen ging, wurde der Türspion in den "Automatik-Modus" geschaltet. Bewegungen im Treppenhaus wurden dann selbstständig erkannt und aufgenommen. Die Videos wertete die Mieterin am nächsten Morgen immer an ihrem PC aus. Wenn "nichts Verdächtiges" passiert sei, habe sie die Bilder gleich gelöscht, erklärte sie dem Gericht.
Die Vermieterin entdeckte die Überwachungskamera bei einer Hausbegehung im April und forderte die Mieterin auf, den elektronischen Türspion umgehend zu entfernen, da das Persönlichkeitsrecht der Mitmieter und deren Besucher mit der Videoaufzeichnung verletzt werde. Die Münchnerin weigerte sich jedoch und hielt ihr Vorgehen für gerechtfertigt. Die Vermieterin zog daraufhin vor das Amtsgericht München - und bekam Recht.
Aufnahmen verletzen Persönlichkeitsrecht
Mit der Installation einer Videokamera sei die Mieterin weit über das Ziel hinausgeschossen: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich", stellte die Richterin laut der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" fest.
Sobald Bereiche allgemein zugänglich seien und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der Mieterin unterstünden, sei eine Videoüberwachung grundsätzlich verboten. Zulässig sei eine Überwachung nur bei der "Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe" und wenn diese Gefahr nicht auf andere Art und Weise abgewehrt werden könne. Ein Nachbarschaftsstreit stelle den Richtern zufolge keine solche Bedrohung dar. Das Urteil (Aktenzeichen: 413 C 26749/13) ist rechtskräftig.
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Der Autor Christoph Fröhlich auf Google+