"Behördliche Hinrichtung" Eine Million Dollar Schweigegeld

Der Streit zwischen der Londoner Polizei und der Familie des erschossenen Brasilianers Jean Charles de Menezes hat sich nach Berichten über ein angebliches Schweigegeld verschärft.

Die Eltern Matozinho und Maria de Menezes sagten der Zeitung "Daily Mail", die Polizei habe ihnen eine Million Dollar Schmerzensgeld angeboten, was sie aber abgelehnt hätten: "Wir lassen uns nicht kaufen", wurden sie zitiert.

Ein Scotland-Yard-Sprecher bestritt diese Darstellung: "Das Einzige, was wir mit der Familie bisher besprochen haben, waren erste Unkosten", sagte er. "Wir bestreiten mit Nachdruck, irgendetwas in der Größenordnung von einer Million Dollar als Schadensersatz angeboten zu haben." De Menezes war am 22. Juli von der Londoner Polizei fälschlicherweise für einen Selbstmordattentäter gehalten und eschossen worden.

Opfer hat sich nicht verdächtig gemacht

Eine unabhängige Behörde zur Überprüfung der Londoner Polizei kritisierte am Samstag, Scotland Yard hätte schneller klarstellen müssen, dass sich De Menezes in keiner Weise verdächtig verhalten habe. "Das haben sie nicht getan, und damit müssen sie sich jetzt auseinandersetzen", sagte Jenny Jones, ein Mitglied der Aufsichtsbehörde.

"Nur einer von 57 Toten"

Scotland-Yard-Chef Sir Ian Blair kritisierte dagegen in einem Radiointerview, dass sich die öffentliche Debatte mittlerweile nur noch um De Menezes drehe. "Der Tod von Herrn Menezes ist tragisch, und wir haben uns dafür entschuldigt und übernehmen die Verantwortung", sagte er. "Aber er ist doch nur einer von 57 Toten." Bei den Terroranschlägen seien außer den vier Selbstmordattentätern 52 Menschen ums Leben gekommen und doppelt so viele schwer verletzt worden. "Wir können nicht zulassen, dass ein tragischer Todesfall alle anderen überschattet", sagte Blair.

Nach Informationen des "Guardian" (Samstagsausgabe) überprüft die Scotland-Yard-Spitze zurzeit, ob die Anweisung, mögliche Selbstmordattentäter sofort zu erschießen, rückgängig gemacht werden sollte. Untersucht werde unter anderem, wie viele gesicherte Informationen vorliegen müssen, ehe ein Schießbefehl erteilt werden kann. Auch der Kommunikationsweg zwischen Einsatzleiter und bewaffneten Polizisten solle verbessert werden.

Der "Independent" berichtete über neue Vorwürfe gegen Scotland Yard. Die Untersuchung des Todes von De Menezes durch die Unabhängige Polizei-Beschwerdestelle habe den Verdacht aufkommen lassen, dass Scotland Yard den zuständigen Pathologen belogen habe. Die Polizisten hätten ihm gegenüber den Eindruck erweckt, dass De Menezes vor ihnen weggelaufen sei, was aber nicht stimme.

DPA

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