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20 Jahre nach dem möglichen RAF-Attentat Rätsel um mysteriösen Rohwedder-Mord

Am 1. April 1991 fiel der tödliche Schuss auf Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder aus mehr als 60 Metern Entfernung. Bis heute ist immer noch unklar, ob er das letzte Opfer der RAF vor deren Selbstauflösung war oder ob er von alten Stasi-Seilschaften aus dem Weg geräumt wurde.

Es ist Ostermontag, der 1. April 1991: Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder steht mit dem Rücken zum Fenster im ersten Stock seines Düsseldorfer Hauses, als ihn gegen 23.30 Uhr der tödliche Schuss trifft. Aus mehr als 60 Metern Entfernung hat der Schütze aus einem gegenüberliegenden Schrebergartengelände auf den 58-Jährigen gefeuert. Ein weiterer Schuss trifft Rohwedders Ehefrau Hergard in den Ellenbogen, ein drittes Projektil schlägt in ein Bücherregal ein. 20 Jahre später ist weiter ungeklärt, wer damals auf Rohwedder anlegte - auch wenn das Attentat auf den Top-Manager als letzter Mordanschlag der RAF vor deren Selbstauflösung 1998 gilt.

Bis heute reißen die Spekulationen nicht ab um den Todesschuss auf den Industriemanager, der als Vorsitzender der Berliner Treuhandanstalt die marode Wirtschaft der untergegangenen DDR sanieren sollte - oder eher abwickeln, wie Kritiker sagten. Und es gab viele Kritiker von Rohwedder, der zuvor den Hoesch-Konzern saniert hatte und in den 1970er Jahren Wirtschaftsstaatssekretär in Bonn gewesen war. Schnell verbreiteten sich Gerüchte, in Wahrheit steckten alte Stasi-Seilschaften hinter dem Attentat auf den Treuhand-Chef. Ähnliche Verschwörungsszenarien wurden auch nach dem RAF-Mord an Alfred Herrhausen vom November 1989 gehandelt: Mit dem ebenfalls unaufgeklärten Attentat auf den Deutsche-Bank-Chef wurden westliche Geheimdienste in Verbindung gebracht.

Die vielen unbeantworteten Fragen im Rohwedder-Mord ändern freilich nichts an den mindestens ebenso vielen Spuren, die zur RAF führen. Da ist zunächst die Spurenlage am Tatort: Die Schüsse auf Rohwedders Haus wurden offenbar in dem Schrebergartengelände von einem Gartenstuhl aus abgegeben, neben dem die Ermittler ein Bekennerschreiben eines RAF-Kommandos "Ulrich Wessel" fanden. Das RAF-Emblem auf dem Schreiben - der fünfzackige Stern mit Schnellfeuergewehr - gilt als authentisch. Im Gebüsch neben dem Stuhl lag außerdem ein Frotteehandtuch, an dem sich menschliche Haare befanden. Zehn Jahre nach dem Rohwedder-Mord ergaben im Frühjahr 2001 damals neuartige Untersuchungsmethoden, dass eine Haarspur zweifelsfrei vom RAF-Terroristen Wolfgang Grams stammte.

Als diese Untersuchungsergebnisse veröffentlicht wurden, lebte Grams schon seit knapp acht Jahren nicht mehr - er war am 27. Juni 1993 nach einem Feuergefecht mit GSG-9-Beamten in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) gestorben. Die Haarspur von Grams am Tatort in Düsseldorf-Oberkassel beweist freilich nicht eindeutig seine Täterschaft im Fall Rohwedder. Doch es gibt weitere Indizien für eine RAF-Tat: Da sind zunächst die Patronenhülsen vom Rohwedder-Mord. Sie wurden kriminaltechnischen Untersuchungen zufolge aus derselben Waffe abgefeuert, die im Februar 1991 - sechs Wochen vor dem Rohwedder-Attentat - bei einem Schusswaffenanschlag der RAF auf die US-Botschaft in Bonn-Bad Godesberg zum Einsatz kam.

Zudem erhärtet ein inhaltliches Detail des Rohwedder-Bekennerschreibens die Einschätzung, dass die Selbstbezichtigung tatsächlich von der RAF verfasst wurde: In der RAF-"Erklärung" wird aus dem Buch eines Schriftstellers zitiert, das auch bei mehreren RAF-Terroristen gefunden wurde. Und nicht zuletzt trat vor dreieinhalb Jahren selbst ein früheres RAF-Mitglied allen Verschwörungstheorien entgegen: Die Ex-Terroristin Eva Haule bekannte in einem Leserbrief, die RAF sei verantwortlich gewesen für die "Aktionen" unter anderem gegen Rohwedder und Herrhausen. "Wäre es nicht so, hätte es selbstverständlich sofort Richtigstellungen gegeben. Schon aus Gründen der politischen Klarheit."

Gleichwohl geben die meisten Anschläge der sogenannten dritten RAF-Generation in den 1980er Jahren weiter Rätsel auf. Der damaligen Mordserie fielen unter anderem im Februar 1985 der Industrielle Ernst Zimmermann, im Juli 1986 Siemens-Vorstand Heinz Beckurts und im Oktober 1986 der Diplomat Gerold von Braumühl zum Opfer. Ihre Mörder sind bis heute unbekannt - wie im Fall Rohwedder.

Richard Heister, AFP AFP

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