Schleswig-Holstein Festnahme im rätselhaften Fall Nathalie M. – doch wo ist die Vermisste?

Nathalie M. aus Stadum bei Flensburg; Polizeisiegel
Nathalie M. aus Stadum bei Flensburg ist seit dem 17. August vermisst. Ermittler versiegelten das Haus des Verdächtigen an der deutsch-dänischen Grenze
© Polizeidirektion Flensburg, Benjamin Nolte / DPA
Wo ist Nathalie M. aus Stadum bei Flensburg? Die Polizei geht davon aus, dass die 23-Jährige nicht mehr lebt und hat einen 46-Jährigen festgenommen. Ansonsten geben sich die Behörden schweigsam. Was hat der Verdächtige mit dem Verschwinden zu tun?

Alle zwei Stunden startet ein Bus der Linie R1 am Busbahnhof in Niebüll in Richtung Flensburg, gut eine Stunde dauert die Fahrt. Nathalie M. fährt am 17. August, einem Samstag, nur eine kurze Strecke mit. Sie steigt mittags in Stadum ein, ihrem Heimatdorf im Kreis Nordfriesland, rund 1000 Einwohner. Nach nicht einmal zehn Minuten fährt der Bus die Haltestelle in Schafflund an, Nathalie M. steigt aus. Dann verliert sich die Spur der 23-Jährigen, wenig später wird sie als vermisst gemeldet. Wo sie hinwollte, ist bis heute nicht bekannt.

Besonders beunruhigend: In Schafflund finden Spaziergänger die Krankenkassenkarte und den Personalausweis der jungen Frau. Hat sie die Dokumente verloren? Oder hat sie jemand anderes weggeworfen? 

Polizei Flensburg sucht mit Foto nach Nathalie M.

Ein Verbrechen können die Ermittler nicht ausschließen, nach dem Fund von Ausweis und Versicherungskarte ist es sogar wahrscheinlicher geworden. Die Polizei veröffentlicht danach einen Suchaufruf nach der 23-Jährigen: "Wer hat Frau M. am Samstag oder an den darauffolgenden Tagen gesehen? Wer kann Angaben zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort machen?", fragen die Beamten darin. Dazu die Personenbeschreibung: 1,58 Meter groß, sehr schlank, grünblaue Augen, schwarzes, langes Haar. Ein Zungenpiercing und eine Tätowierung ihres Vornamens am linken Handgelenk. 

Das Foto, das die Beamten für die Suche veröffentlichen, zeigt die junge Frau in dem Pullover, den sie bei ihrem Verschwinden trug: ein schwarzer Hoodie mit der Aufschrift "Petite", dazu hatte sie eine schwarze Lederjacke, eine dunkle Hose und schwarze "Nike"-Turnschuhe an. Doch trotz der Öffentlichkeitsfahndung und Hinweisen aus der Bevölkerung – Nathalie M. bleibt verschwunden.

Elf Tage später die Wende

Das ist sie auch am späten Mittwochnachmittag in dieser Woche noch. Doch der Fall nimmt elf Tage nach dem Verschwinden eine Wendung. Im Örtchen Humptrup, direkt an der deutsch-dänischen Grenze und gut 20 Kilometer von Stadum entfernt, wird es unruhig: Ermittler der Bezirkspolizeiinspektion Flensburg und Bereitschaftspolizisten aus Eutin rücken mit schwerem Gerät an einem Gehöft in der Dorfstraße gegenüber der Kirche an. Die Beamten nehmen Thomas P. fest – wegen des dringenden Tatverdachts des Totschlags an Nathalie M.

Noch am Tag darauf werden die Ermittler vor Ort sein, sie haben einen Radlader dabei, graben auf dem Grundstück, lassen eine Drohne in die Luft steigen und Spürhunde eine Fährte aufnehmen, berichten Reporter vom "Nordfriesland Tageblatt". Die Beamten suchen nach Hinweisen auf den Verbleib von Nathalie M. – oder nach ihrer Leiche. "Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einem Tötungsdelikt aus", teilen die Behörden mit. An ein freiwilliges Verschwinden oder einen Unfall glaubt niemand mehr. Ein Haftrichter verhängt nach der Festnahme U-Haft gegen Thomas P.

Eine Leiche gibt es bislang nicht

Was führte die Ermittler ins beschauliche Humptrup? In welcher Beziehung steht der Verdächtige zu der Vermissten? Die Polizei will "aus ermittlungstaktischen Gründen" keine weiteren Informationen veröffentlichen. Fest steht: Thomas P. ist 46 Jahre alt, nach übereinstimmenden Medieninformationen verdient er sein Geld als Lastwagenfahrer in Dänemark. Bis 2015 ist er laut "Bild"-Zeitung in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, gerät dann aber in Verdacht, Brände gelegt zu haben und scheidet aus dem Dienst aus. Er soll seit mehreren Jahren zurückgezogen und unauffällig, etwas eigenbrötlersich, mit seiner Frau in dem Gehöft an der Dorfstraße leben. Ein Nachbar erzählt dem "Nordfriesland Tageblatt", P. habe Nathalie M. gekannt. Ob das stimmt, verrät die Polizei nicht. Der Stiefvater der Vermissten sagt dem Blatt nach dem Verschwinden: "Um Druck für eine öffentliche Suche durch die Polizei aufzubauen, haben wir den Beamten einen Chatverlauf übergeben." Schrieben die 23-Jährige und der 46-Jährige miteinander? Auch dazu: keine Auskunft. Die Polizei will kein mögliches Täterwissen preisgeben.

"Wir ermitteln mit Hochdruck", versichert ein Beamter im Gespräch mit dem stern. "Und zwar weiterhin in alle Richtungen." Die Spuren aus dem Gehöft in Humptrup werden ausgewertet, die Türen sind versiegelt. Es müssen äußerst belastende Indizien gegen Thomas P. sein, schließlich wurde er in Untersuchungshaft genommen – ausdrücklich wegen des Verdachts auf ein Tötungsdeliktes. Dass die 23-Jährige irgendwo gefangen gehalten wird, ist damit äußerst unwahrscheinlich. Doch eine Leiche gibt es bislang nicht. Ein Fünkchen Hoffnung bleibt, dass Nathalie M. noch lebt.

Hinweise zu dem Fall nimmt die Flensburger Polizei weiterhin unter der Telefonnummer (0461) 4842010 entgegen.

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