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Erster Tag NSU-Prozess Zschäpe völlig ungerührt

Bei ihrem Auftritt auf dem NSU-Prozess wird die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit den Angehörigen ihrer Opfer konfrontiert. Ihre Reaktion: Sie gibt sich geschäftsmäßig - und zeigt keine Regung.

Beate Zschäpe ist 38 Jahre alt. Doch sie wirkt jünger. Die Haare hat sie sich im Gefängnis weit über die Schultern wachsen lassen, ihre Figur wirkt in ihrem dunklen Hosenanzug mädchenhaft schmal. Aber es sind nicht die Äußerlichkeiten, es ist viel mehr ihre Art, die die mutmaßliche Rechtsterroristin nicht wie knapp 40 wirken lässt. Mit einem selbstbewussten Blick und einem manchmal schnippischen Lächeln zeigt sich Zschäpe bei ihrem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit. Dass ihr die Angehörigen der NSU-Mordopfer gegenüber sitzen, scheint sie nicht zu beeindrucken.

Am mit Spannung erwarteten ersten Prozesstag gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vor dem Münchner Oberlandesgericht hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl zunächst offenbar alle Zeit der Welt. Fast eine halbe Stunde dürften Fotografen und Kameraleute die Angeklagten aufnehmen, bevor sie den Saal verlassen müssen.

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Ein ungewöhnlicher langer Zeitraum, der einen ersten Eindruck der Angeklagten vermittelt. Da ist Carsten S., der die Waffe besorgt haben soll, mit der Zschäpe und ihre toten Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos später neun Migranten ermordet haben sollen. Später stieg S. aus der rechten Szene aus, begann ein völlig neues Leben als Sozialarbeiter. S. und Holger G., die beide umfassend ausgesagt haben, verbergen ihr Gesicht angestrengt vor den Fotografen.

Ganz anders André E. und Ralf W.. E. soll nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt Anfang November 2011 Zschäpe zum Bahnhof gefahren haben, damit sie fliehen konnte. Er gilt als fester Bestandteil der rechten Szene und schaut offen in alle Gesichter. Ebenso der ehemalige NPD-Funktionär W., der neben Zschäpe als einziger noch in Untersuchungshaft sitzt. W, der in blauer Strickjacke fast bieder daher kommt, soll aus dem Gefängnis heraus Kontakt zu Neonazis gehalten zu haben.

Zschäpes Blick wandert durch die Reihen

Keinen näheren Kontakt suchen die so unterschiedlich auftretenden Männer aber zu Zschäpe. Die Hauptangeklagte stellt sich vor Prozessbeginn demonstrativ mit dem Rücken vor die Kameras, unterhält sich aber ungezwungen mit ihren drei Verteidigern. Als ihr Rechtsanwalt Wolfgang Stahl ihr ein Lutschbonbon reicht, scherzt sie mit ihm.

Für die Angehörigen der neun ermordeten Migranten und der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter muss dieser Auftritt schwer zu ertragen sein. Zschäpe lässt immer wieder den Blick durch die Reihen wandern. Ein bisschen so, als gehe sie das alles gar nichts an. Und zum Umsehen hat die mutmaßliche Rechtsterroristin am Montag viel Zeit. Denn wie erwartet beginnt das Verfahren zäh.

Ein langwieriger erster Tag

Über zehn Minuten dauert es, bis die Namen aller Nebenkläger und ihrer Anwälte verlesen sind. Über eine Stunde dauert es, bis Zschäpes Anwälte den ersten Befangenheitsantrag eingebracht haben. Stahl und seine Kollegen Wolfgang Heer und Anja Sturm lehnen Richter Götzl als befangen ab, weil Richter, Ankläger oder Polizisten ohne Kontrolle ins Gericht dürfen, nicht aber die Verteidiger. Laut einer Erklärung Götzls aus der Sorge, dass über die Verteidiger gefährliche Gegenstände ins Gericht geschmuggelt werden könnten - für die Verteidiger eine klare Diskriminierung.

Das anschließende Wortgefecht zwischen Verteidigern und Nebenklage-Anwälten nimmt den Rest des Vormittags in Anspruch. Von dem Gezerre bekommt ein Zuschauer nichts mehr mit. Ein Rentner hatte sich bereits am Sonntagnachmittag vor dem Gericht angestellt, um möglichen rechtsradikalen Unterstützern der Angeklagten wenigstens einen Sitzplatz wegzuschnappen. Im Prozess sinkt der Mann immer tiefer in sich zusammen und schlummert schließlich ein.

brü/AFP AFP

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