Der frühere deutsche Chefermittler im Fall des unter mysteriösen Umständen gestorbenen früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) ist wegen dubioser Praktiken bei der Beweismittelverwahrung in die Kritik geraten. Nach Angaben mehrerer Parteien im Kieler Landtag informierte Landesjustizminister Emil Schmalfuß (parteilos) die Abgeordneten des Innen- und Rechtsausschusses über Unregelmäßigkeiten, für die der Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille verantwortlich gewesen sein soll.
Wie die Fraktionen von SPD, FDP und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) nach der Ausschusssitzung mitteilten, hatte Wille während seiner Amtszeit offenbar veranlasst, Beweise nicht in der Asservatenkammer der zuständigen Lübecker Staatsanwaltschaft verwahren zu lassen, sondern diese auf mehrere Räume verteilt. Nicht einmal entsprechende Entnahmeprotokolle existierten, teilte der SSW mit.
Barschel war am 11. Oktober 1987 in der Badewanne seines Zimmers in einem Genfer Hotel tot aufgefunden worden. Die Schweizer Polizei übersandte sichergestellte Spuren später an die Lübecker Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen zum Tod des CDU-Politikers 1998 abschließend einstellte. Nach dem offiziellen Ermittlungsergebnis starb er durch Selbstmord. Das Ergebnis blieb aber umstritten, immer wieder wurde über Mord spekuliert. Auch Wille gehört zu den Vertretern der These, Barschel sei von einem professionellen Killerkommando getötet worden. Er hatte in einem Buch auch darüber spekuliert, die entsprechenden Spuren sollten etwa von Geheimdiensten verwischt werden.
Den Angaben von SPD, FDP und SSW zufolge nahm Wille den Ausführungen des Justizministers zufolge sogar selbst eines der Beweismittel, ein von Barschel gelesenes Buch aus seinem Hotelzimmer, mit nach Hause. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kai Dolgner, sprach von einem "unglaublichen Vorgang". FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sagte, Wille habe "seine komplette Reputation verspielt". Er forderte eine umfassende Aufklärung der Vorgänge und "ernsthafte Konsequenzen" für den ehemaligen Lübecker Barschel-Chefermittler.
"Von einem Leitenden Oberstaatsanwalt, der öffentlich behauptet, die Mordthese könne nicht bewiesen werden, da Geheimdienste die Spuren verwischt hätten, durfte man eigentlich erwarten, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck die Asservate im Fall Barschel mit besonderer Sorgfalt bearbeitet und nicht auf einmalig schlampige Art und Weise auf das Gebäude der Staatsanwaltschaft verteilt", erklärte Kubicki. Die Ausschusssitzung war anberaumt worden, weil vor kurzem Berichte über ein Haar aus Barschels Hotelzimmer erschienen waren, dass unerklärlicherweise aus der amtlichen Asservatensammlung verschwunden war.