Gerichtsprozess Der Millionär auf der Müllkippe

Fünf Monate hat es gedauert bis das Geheimnis um den Grafen von Shaftesbury gelüftet wurde: Auf eine Müllkippe an der Côte d'Azur fand die Polizei seine Leiche. Jetzt stehen seine Ex und ihr Bruder für den Mord vor Gericht.

Er ist ein englischer Lord mit ausgeprägtem Hang zu einem ausschweifenden Leben, sie eine attraktive tunesische Bardame, die sich ihn angelt. Bis er auch ihrer überdrüssig wird und eine Neue hat. Dann fallen bemerkenswert hohe Geldbeträge auf den Konten des Bruders der blonden Bardame Djamila (45) auf. Und kurz darauf liegt dann Lord Anthony Ashley-Cooper (66), zehnter Earl von Shaftesbury, erdrosselt auf einer einsamen Müllkippe bei Théoule-sur-Mer. Es war Mord, davon sind die Ermittler überzeugt. Nun sitzen die Geschworenen in Nizza über Djamila und ihren Bruder zu Gericht. Die Angeklagten sollen den englischen Lord aus Habgier umgebracht haben.

"Ich bin unschuldig, meine Schwester ist unschuldig, das war nur ein Unfall", sagte der 43-jährige Mohammed zum Prozessauftakt. Seine Schwester Djamila erklärte, sie habe Lord Shaftesbury geliebt. "Er hat mir sehr viel Seelenlinderung gebracht, und er war für mich gleichzeitig ein Liebhaber und ein Vater", sagte die 45- Jährige.

Die Suche nach dem Grafen

Es dauerte fünf Monate, bis die Polizei im April 2005 die Leiche des Aristokraten fand, jenes Mannes, der die Nacht zum Tag zu machen beliebte. War die südfranzösische Côte d'Azur, beileibe doch nicht arm an bizarren Geschichten über die Reichen und die Schönen, etwa die Kulisse eines ebenso gemeinen wie ausgeklügelten Auftragsmordes?

Fotos zeigen den aristokratischen Millionär aus alter englischer Adelsfamilie, wie er Djamila, seine dritte Ehefrau, noch stolz im Arm hält. Auf dem Tisch stehen einige geleerte Weinflaschen. Der betuchte Nachtfalter der Côte d'Azur fühlte sich jedoch von seinem Schwager Mohammed (43) bedroht. Was sich dann an einem Whisky-geschwängerten Novembermorgen 2004 in Djamilas Wohnung in Cannes abgespielt hat und warum, versuchte die Justiz "Zug für Zug wie bei einem Schachspiel" zu entschlüsseln, wie es ein Ermittler umschrieb. Geholfen haben der Mordkommission auch gegenseitige Beschuldigungen der Verdächtigen.

Djamila wollte Gräfin bleiben

"Vom Animiermädchen zur Gräfin von Shaftesbury aufgestiegen, gedachte Djamila dies sehr wohl zu bleiben und es nicht hinzunehmen, dass der Lord sich von ihr scheiden lässt und eine andere heiratet", sagte eine Verwandte des Lords. Sie war immer gegen Djamila gewesen.

150.000 Euro soll Djamila dem Bruder für den Mord hingeblättert haben. Er sah sich als Zuhälter der Schwester und verlangte sowieso immer Geld. "Ein Streit unter Betrunkenen", bei dem sich Lord und Mohammed in aufgeheizter Stimmung prügelten und an die Kehle gingen, habe zum tödlichen "Unfall" geführt: Von der Justiz belauscht sagte Djamila ihrer Schwester, mit dieser Version komme der Bruder wohl vor Gericht gut weg. Gemeinsam hätten sie den leblosen Lord weggeschafft. Mit einem hektischem Hin- und Herreisen zwischen der Côte d'Azur und München, wo er arbeitete, soll der Bruder noch versucht haben, sich ein Alibi aufzubauen. Beide stellten sich im Verhör aber selbst Fallen.

Erkaufte Zuneigung

Die Ermittler lasen jedenfalls genug aus den Akten heraus, um einen Mordprozess gegen den bei München festgenommenen Mohammed und die Witwe des Lords vorzubereiten. Der Earl, bei dem Geld und Alkohol allzeit in Strömen flossen, habe sich Zuneigung immer erkauft, berichtete die Schwester des Adeligen: "Naiv und ohne Urteilsvermögen hatte er den Sinn für die Realitäten verloren", sagte sie der "Libération". Die Pariser Zeitung weiß auch, was der Lord, bevor er dann die nächste Bardame ehelichen wollte, der Tunesierin alles geschenkt hat: Die teure Wohnung in der Filmfestivalstadt Cannes, in der er starb, eine Mühle in der Gers-Region und monatlich 7000 bis 10.000 Euro in bar.

Für die Anwälte der Beschuldigten gibt es indessen keine Beweise dafür, von Mord auszugehen. Der Bruder der Bardamen-Gräfin bestritt erst, überhaupt dabei gewesen zu sein, dann räumte er eine Prügelei mit dem Adeligen ein, die tödlich endete. An den Geschworenen wird es sein, die undurchsichtigen Vorgänge zu entwirren, die in den Tod des Liebhabers feuchtfröhlicher Nächte an der "French Riviera" mündeten.

Der Lord hat unterdessen schon lange seinen letzten Frieden gefunden. Er ruht in der Gruft seiner Familie in der südwestenglischen Grafschaft Dorset.

DPA
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