Keine verlockende Aussicht für Gefangene: mehrere Jahre in der selben Zelle sitzen und auf seltenen Besuch von weit her warten. Doch das Gesetz macht Luftveränderung auch hinter Gittern möglich. "Tausche Haftplatz in Bayern gegen Zelle in Berlin" oder "Ich, G., sechseinhalb Jahre, suche Kollegen gleichen Strafrahmens, welcher Bundesland und Knast gerne wechseln möchte", heißt es in Anzeigen.
Meist wollen Häftlinge einen Tapetenwechsel wegen der Familie oder einer neuen Briefbekanntschaft, weiß der Chefredakteur der Berliner Gefangenenzeitung "der lichtblick", Michael Mill. In jeder Ausgabe, die bundesweit gelesen werde, annoncierten deshalb Strafgefangene unter Chiffre-Nummer. Die Zeitung wird von Gefangenen für Gefangene gemacht. Der 50-jährige Mill sitzt wegen Mordes seit neun Jahren.
"Verlegung kann Resozialisierung voranbringen"
Viele hätten Angst, dass ihr Wechselantrag abgelehnt wird und versuchen es deshalb erst gar nicht, sagt Mill. "Dabei ist das eine gute Sache, so eine Verlegung kann die Resozialisierung voranbringen." Ihm selbst gebe die Zeitung, die direkt in der größten deutschen Strafanstalt in Berlin-Tegel erstellt wird, Halt. Annoncen in der Gefangenenzeitung, die sechs Mal im Jahr erscheint, müssen nicht bezahlt werden. "Wir finanzieren uns aus Spenden und einem Landeszuschuss."
In einer Anzeige schrieb ein Strafgefangener aus der Justizvollzugsanstalt Landsberg, er wolle in die Tegeler Anstalt in der Hauptstadt. "Die JVA Landsberg liegt bei München und hat das Freigängerhaus gleich nebenan. Fußballfeld und -halle sowie ein Open-Air-Swimmingpool gibt es hier auch!", versuchte er Interessenten den Wechsel schmackhaft zu machen. Ein Berliner Gefangener suchte dagegen einen Platz in Pforzheim und 50 Kilometer Umkreis. "Mein Mädchen wohnt dort unten und ich möchte dort in Zukunft leben", hieß es in seiner Suchanzeige.
Doch eine Verlegung ist komplizierter als ein privater Wohnungswechsel. Die Justizbehörden müssen einem entsprechenden Antrag erst zustimmen. Wegen der bereits überbelegten Gefängnisse in der Hauptstadt müssten viele Anträge negativ beschieden werden, heißt es in der Berliner Justizverwaltung. Auch in den anderen Bundesländern seien die Anstalten voll. "Es gibt keinen Anspruch auf Verlegung, aber die Chancen steigen, wenn man einen Tauschpartner hat", sagt Berlins Justizsprecherin Juliane Baer-Henney. Grundlage sei Paragraf 8 des Strafvollzugsgesetzes.
Tausch nur bei gleich langen Strafen
"Wenn jemand tauschen will, der beispielsweise drei Jahre länger sitzen muss als sein Wechselpartner, wird dem Antrag eher nicht zugestimmt", verweist die Sprecherin auf eine weitere Einschränkung. Denn damit würde sich Berlin Zusatzkosten aufhalsen. "Tausch geht nur bei gleich langen Strafen."
Im Vorjahr gingen in der Berliner Justizverwaltung insgesamt 67 Anträge von Häftlingen ein, die entweder nach Berlin oder von hier weg wollten. Und wenn einfach nur der Wunsch besteht, in der Hauptstadt einzusitzen? "Wenn jemand meint, er fühlt sich hier wohler, wird auch das geprüft", sagt Baer-Henney. Kommt ein Tausch zu Stande, so müsse auch das möglichst kostengünstig organisiert werden, sagen Berliner Justizbeamte. "Einen Extratransport gibt es nicht. Der Gefangene wird bei passender Gelegenheit mitgenommen", sagt Baer-Henney.