Zwischen Winterthur und Gstaad liegen 220 Kilometer, für Roman Polanski jedoch Welten: Nach rund 70 Tagen durfte der 76-jährige Starregisseur am Freitag seine Zelle im Gefängnis von Winterthur gegen sein gemütliches Chalet in dem Schweizer Skiort eintauschen. Im Kreis seiner Familie, wenngleich per elektronischer Fußfessel an sein Haus gebunden, kann er nun abwarten, ob die Schweiz ihn je an die USA ausliefern wird.
Dutzende Medienleute warteten schon seit den frühen Morgenstunden an der eisigen Auffahrt vor Polanskis Holzvilla "Milky Way" auf die Ankunft des für einige Wochen berühmtesten Häftlings der Schweiz. Sie sahen, wie die Läden vor den Fenstern geöffnet wurden und ein Junge durch den Garten lief, während Sicherheitskräfte letzte Vorbereitungen trafen - laut Medienberichten waren Polanskis Frau Emmanuelle Seigner und seine beiden Kinder Morgane und Elvis bereits am Vortag zum Wiedersehen nach so langer Zeit in Gstaad eingetroffen.
Gegen 13.00 Uhr dann fuhren zwei Limousinen mit abgedunkelten Fenstern in die Garage des Chalets, gleichzeitig bestätigte das Schweizer Justizministerium Polanskis Entlassung in den Hausarrest. Das Alarmsystem auf Polanskis Grundstück sei aktiviert; es werde ab sofort Alarm schlagen, sollte der 76-Jährige versuchen, seine Fußfessel abzustreifen oder sein Grundstück zu verlassen, warnte das Ministerium in einer Erklärung. Damit beginnt die nächste Etappe in dem nun schon seit mehr als drei Jahrzehnten andauernden Justiz-Epos.
Auf Antrag der US-Justiz war Polanski am 26. September festgenommen worden, als er das Filmfestival in Zürich besuchen wollte. Die US-Justiz wirft ihm vor, vor 32 Jahren eine 13-Jährige sexuell missbraucht zu haben. Zwar hatte Polanski die Tat gestanden, war 1978 jedoch vor einer Verschärfung seines Urteils aus den USA geflohen. Seitdem mied er die USA, reiste aber immer wieder unbehelligt in die Schweiz - bis September. Nun muss die Schweiz über seine Auslieferung entscheiden. Ihm drohen zwei Jahre Haft, obwohl selbst sein damaliges Opfer die Justiz inzwischen bat, den Fall nach so langer Zeit ruhen zu lassen.
Nach Angaben seiner Anwälte will Polanski seine Auslieferung mit aller Macht verhindern - schon seine Auslieferungshaft habe dem 76-Jährigen schwer zugesetzt. Nach Auskunft des französischen Konsuls Jean-Luc Fauré-Tournaire geht es ihm erst wieder besser, seit ein Schweizer Gericht beschloss, seine Auslieferungshaft in Hausarrest umzuwandeln. Da die Justiz fürchtet, er könnte erneut flüchten, musste sich der Filmemacher verpflichten, drei Millionen Euro an Kaution sowie seine Papiere zu hinterlegen und fortan eine - an eine Armbanduhr erinnernde - elektronische Fußfessel zu tragen. Im Gegenzug darf er nun Besuch empfangen, telefonieren und sich auf seinem 1800 Quadratmeter großen Grundstück frei bewegen.