Zwei Männer - eine Erklärung: "Die Hells Angels und Bandidos Motorradclubs in Deutschland geben offiziell bekannt, dass nach mehr als zwei Monaten Vorbereitungszeit ein Weg zu einer künftigen Koexistenz gefunden wurde und der Konflikt zwischen beiden Clubs mit sofortiger Wirkung offiziell beendet ist."
Am Mittwoch unterzeichneten Frank Hanebuth von den Hells Angels und Peter Maczollek von den Bandidos in Hannover einen Friedensschluss, in dem vereinbart ist, dass beide Clubs nicht in die Städte der Konkurrenz eindringen, keine Mitglieder des anderen Clubs aufnehmen und ein Jahr lang keine neuen Club-Ableger gründen.
Nach jahrelangem Zoff soll damit verhindert werden, dass sich die Herren beider Rockergruppen weiterhin regelmäßig gegenseitig die Köpfe einschlagen. Ein zweifelhaftes Freizeitvergnügen, das in den vergangenen Monaten immer mehr eskalierte und nicht nur Schwerverletzte sondern auch Tote auf beiden Seiten forderte - was wiederum die Innenminister der Länder auf den Plan rief. Nachdem die Hells Angels bereits seit Jahren in Hamburg verboten sind, wurden zwei Ortsvereine der Hells Angels und der Bandidos im April auch in Schleswig-Holstein dicht gemacht. Auf der Innenministerkonferenz, die am Donnerstag in Hamburg beginnt, steht das Thema eines möglicherweise bundesweiten Verbotes der Rocker ebenfalls auf der Tagesordnung. Es war also höchste Not zu handeln.
Exklusive Männerfreundschaft
Der Zeitpunkt des öffentlich zelebrierten Friedensschlusses ist von den Gruppen geschickt gewählt; der Ort ganz sicher auch. In der Adenauerallee 10 hat Götz von Fromberg seine Kanzlei. Eine noble Adresse mit einem honorigen Chef, dem zumindest Hanebuth in Herzlichkeit verbunden ist. Denn Götz von Fromberg, 61, Rechtsanwalt und Notar, zählt zu seinem exklusiven Netzwerk von Männerfreundschaften neben Frank Hanebuth, der sein Geld im Rotlichtgeschäft verdient und wegen schwerer Körperverletzung eine dreijährige Haftstrafe hinter sich hat, auch WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach, die Brüder Gottschalk und auch Altkanzler Gerhard Schröder.
Dass sich die beiden Rockerclub-Autoritäten Hanebuth und Maczollek ausgerechnet in der renommierten Hannoveraner Anwaltskanzlei die Hand reichten und nicht in irgendeiner windigen Rockerkneipe, soll vor allem Seriosität signalisieren und dem Image der beiden in Verruf geratenen Motorradclubs etwas Solides geben. Dass die Gewerkschaft der Polizei (GdP) das Ganze als "Mummenschanz" bezeichnet und GdP-Chef Freiberg ungerührt erklärt, "der sogenannte Friedensvertrag soll nur die Öffentlichkeit beruhigen", weshalb es der Polizei auch völlig egal sei, "welche Verträge diese Rockerbanden gegenseitig abschließen", dürfte weder die Höllenengel noch die Banditen ernsthaft beeindrucken.
Zu wenig gerichtsfeste Fakten
Unangenehmer ist da schon das Vorhaben der Innenminister von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, Uwe Schünemann (CDU) und Karl Peter Bruch (SPD), die trotz des Friedensschlusses weiter ein Verbot der Rockergruppen befürworten. Schünemann: "Wenn entsprechende Fakten vorliegen, wird man auf jeden Fall verbieten."
Doch genau darin liegt das Problem. Es liegen zu wenige gerichtsfeste Fakten vor. So gibt es im Umfeld beider Clubs immer wieder Fälle hochkrimineller Aktivitäten. Allein in Brandenburg wurden innerhalb des zweiten Halbjahres 2009 neun schwere Straftaten, wie versuchter Totschlag und versuchter Mord registriert. In Berlin wurden am vergangenen Wochenende 15 Hells Angels vorläufig festgenommen, weil sie auf dem Weg zu den verfeindeten "Chicanos" mit einer Machete, einem Baseballschläger und verschiedenen Schlag- und Stichwerkzeugen aufgegriffen wurden.
Neue Strategie der Konfliktvermeidung
Auch in der Organisierten Kriminalität sollen Rocker eine erhebliche Rolle spielen. Vor allem in den Drogen- und Menschenhandel scheinen nach polizeilichen Erkenntnissen einzelne Clubmitglieder involviert zu sein. Niedersachsens Innenminister Schünemann ist mit Blick auf die Rocker überzeugt: "Das Ganze hat mit organisierter Kriminalität zu tun." Doch all das reicht bei Weitem nicht aus, die Clubs zu verbieten. Denn dafür muss bewiesen werden, dass Straftaten von den Rockergruppen ausgehen. "Das ist nicht überall gegeben. Und bei einem bundesweiten Verbot muss auch nachgewiesen werden, dass es klare Führungsstrukturen gibt, dass die Ortsgruppen miteinander verbunden sind", erklärt Schünemann.
Beide Clubs wiesen nach der Unterzeichnung den Vorwurf zurück, die Vereinbarung solle Gebiete für illegale Geschäfte abgrenzen. "Es gibt keine Konkurrenz um illegale Geschäfte", erklärten sie. Polizei und Innenminister seien Beweise für illegale Geschäfte schuldig geblieben. Abgesehen von Straftaten einzelner Mitglieder fänden illegale Geschäfte in größeren Umfang nicht statt. Alles andere sei an den Haaren herbeigezogen. Die Rocker versicherten zudem, keine Gewalt auszuüben: "Das sind alles nur Behauptungen", erklärten sie übereinstimmend. Wenn künftig Clubmitglieder anfingen, gegen die Konkurrenz "zu stänkern, rufen wir an und sagen, ihr sollt den ruhig stellen", umschrieben sie ihre neue Strategie der Konfliktvermeidung. Das klingt gut. Doch Niedersachsens Innenminister Schünemann beeindruckt es wenig. Dass die beiden Vereinigungen ihre blutige Fehde beenden, sei ein reines Medienspektakel. Beide Banden hätten bereits vor zwei Jahren einen Frieden geschlossen, der nur wenige Wochen gehalten habe.