Das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenzen des Bundestags betont und zugleich den Vermittlungsausschuss in die Schranken verwiesen. Der Ausschuss wird bei Streitigkeiten zwischen dem Bundestag und der Ländervertretung, dem Bundesrat, aktiv. Im konkreten Fall ging es um die Kürzung der staatlichen Zuschüsse für ermäßigte Auszubildenden-Tickets im öffentlichen Nahverkehr. Nach dem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss ist die Kürzung wegen Mängeln im Gesetzgebungsverfahren verfassungswidrig.
Ein Nahverkehrsunternehmen aus Sachsen-Anhalt hatte geklagt, weil die Vorschrift erst durch den Vermittlungsausschuss in die Gesetzgebung eingebracht worden war, ohne dass Bundestag und Bundesrat dem vorher zugestimmt hatten. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts war das Vorgehen erkennbar darauf ausgerichtet, die "Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte" und eine "hinreichende Information der Mitglieder des Deutschen Bundestages" zu vermeiden (AZ: 2 BvR 758/07 - Beschluss vom 8. Dezember 2009).
Die 2004 in Kraft getretene Kürzung ist deshalb allerdings nicht sofort "nichtig". Sie bleibt vorerst noch anwendbar, aber längstens bis zum 30. Juni 2011. Der Kläger war zunächst vor dem Verwaltungsgericht und später in der Berufung erfolglos gewesen.
Grundlage für die Kürzung war ein Papier zum Subventionsabbau, das eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Ministerpräsidenten Hessens und Nordrhein-Westfalens, Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), erarbeitet hatte. In den Beratungen des Bundestags zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 wurden die Vorschläge zwar erwähnt, einzelne Punkte aber nicht erörtert. Der Bundestag nahm später einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes an; auch der Bundesrat stimmte zu.
Aus Sicht des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts wurden die Kompetenzen des Ausschusses in diesem Fall überschritten. Der Vermittlungsausschuss habe Vorschläge in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt, ohne dass der Bundestag in verfassungsgemäßer Weise beteiligt wurde, erklärten die Karlsruher Richter. Der Ausschuss habe kein eigenes Gesetzesinitiativrecht; der Bundestag habe die entscheidende Funktion im Gesetzgebungsverfahren.
Auch wenn damals der politische Kompromiss voraussichtlich nur im Vermittlungsausschuss zu erreichen gewesen sei, so rechtfertige dies nicht das verkürzte Verfahren. Denn dadurch sei die parlamentarische Öffentlichkeit und so die Sichtbarkeit politischer Verantwortung gegenüber den Bürgern erheblich eingeschränkt worden.
Nahverkehrsunternehmen dürfen, wenn sie Auszubildende zu ermäßigten Preisen fahren lassen, dies durch erhöhte Tarife bei anderen Gruppen ausgleichen. Daneben zahlt der Staat seit 1977 den Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleich. Laut Verfassungsgericht ist aber die "bloße Erwartung", das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt. Die Konsolidierung der Länderhaushalte sei legitimes Ziel des Gesetzgebers. Im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für weitgehend schon abgeschlossene Zeiträume gilt die Norm deshalb vorläufig weiter.