Vor 30 Jahren Zu Unrecht verurteilt: Kirk Bloodsworth war der erste Todeskandidat, der durch einen DNA-Test freikam

Kirk Bloodsworth
Kirk Bloodsworth bei einem Auftritt 2009. Nach seiner Freilassung setzte er sich in Maryland unermüdlich für die Abschaffung der Todesstrafe ein. 2013 stimmte das Repräsentantenhaus dafür.
© UPI Photo / Imago Images
Vor 30 Jahren konnte Kirk Bloodsworth aufatmen: Als vermeintlicher Mörder zum Tode verurteilt, konnte er durch einen DNA-Test seine Unschuld beweisen. Danach kämpfte er gegen die Todesstrafe.

Für die Jury ist der Fall klar, für die Bevölkerung auch. "Gebt ihm das Gas und tötet seinen Arsch!", schreien empörte Bürger:innen Kirk Bloodsworth im Gerichtssaal entgegen. Die Jury im US-Bundesstaat Maryland verurteilt Bloodsworth 1985 zum Tode. Die Zuschauer:innen applaudieren nach der Urteilsverkündung.

Dem ehemaligen Marine, der nach seiner Zeit beim Militär als Fischer gearbeitet hat, wird vorgeworfen, ein neun Jahre altes Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben. Fünf vermeintliche Augenzeugen sagen vor Gericht an, ihn mit dem Kind zusammen gesehen zu haben. Obwohl zwei davon Bloodsworth bei einer Gegenüberstellung nicht identifizieren können und obwohl der Angeklagte ausdauernd seine Unschuld beteuert, wird gegen ihn letztlich die Todesstrafe verhängt.

Ein DNA-Test als letzte Hoffnung

Fast neun Jahre verbringt Bloodsworth im Staatsgefängnis in Baltimore. Während er im Todestrakt auf die Vollstreckung des Urteils wartet, bildet er sich weiter, versucht auch, juristische Anhaltspunkte zu finden, die sich in seinem Fall als hilfreich erweisen könnten. Insgesamt liest er 6000 Bücher während seiner Haftzeit. 1992 gelingt ihm der Durchbruch, er hat drei Buchstaben: DNA

Bloodsworth liest davon, wie Ermittler:innen in England mithilfe eines Gen-Tests einen Doppelmörder überführen konnten. Es war der erste Fall, in dem diese Methode zu einer Verurteilung führte. Bloodsworth hofft, dass das Prinzip auch andersherum funktioniert: dass ein DNA-Test seine Unschuld beweisen kann. "Mit einem genetischen Fingerabdruck wollte ich nachweisen, dass ich Opfer eines Justiz-Irrtums war", erzählt er Jahrzehnte später. 

Tatort Mordplatz
Tatort Mordplatz mit gekennzeichneten Beweismitteln
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Nach fast neun Jahren kommt Kirk Bloodsworth frei

Bloodsworth und sein Anwalt bestehen darauf, einen DNA-Test durchführen zu lassen – zu dieser Zeit ist diese Methode noch aufwändig und teuer. Schließlich können sie einen Richter überzeugen, einen Test anzuordnen. Untersucht wird ein 1,6 Millimeter großer Spermafleck in der Unterwäsche des Opfers. Das Ergebnis ist eindeutig: Bloodsworths genetischer Fingerabdruck passt nicht dazu. 1993 wird er aus dem Gefängnis entlassen, wenige Monate später nimmt der Gouverneur von Maryland das Urteil offiziell zurück.

Es ist das erste Mal, dass ein Todeskandidat aufgrund eines DNA-Tests freigesprochen wird. 1953 hatten die beiden Forscher James Watson und Francis Crick die menschliche DNA entschlüsselt. 1984, in dem Jahr, in dem Kirk Bloodsworth angeblich seine Tat begangen hatte, entdeckte Alec John Jeffreys den genetischen Fingerabdruck. Für Bloodsworth bedeutet dieses Verfahren die Freiheit.

Kampf gegen die Todesstrafe

Für die Jahre der Haft bekommt er 300.000 US-Dollar Schadensersatz. Bis 2022 kommen aufgrund von Gesetzesänderungen noch einmal 500.000 Dollar hinzu. Der Mann, der das neunjährige Mädchen wirklich vergewaltigt und ermordet hatte, wird 2004 ebenfalls anhand der DNA-Spuren überführt: Er sitzt bereits wegen anderer Verbrechen in dem gleichen Gefängnis wie Bloodsworth früher. Beide liefen sich manchmal im Fitnessbereich über den Weg.

Nach seiner Freilassung setzt sich der ehemalige Todeskandidat für die Abschaffung der Todesstrafe in seinem Bundesstaat ein. Jahrelang kämpft er dafür, immer wieder erzählt Bloodsworth seine Geschichte, die daran erinnert, wie schnell ein Unschuldiger verurteilt werden kann. "Wenn es mir passieren konnte, kann es jedem passieren", sagt er. Und: "Das wünsche ich nicht meinem schlimmsten Feind." 2013 feiert er einen großen Erfolg: Maryland schafft die Todesstrafe ab, als das im Parlament verkündet wird, reißt Kirk Bloodsworth auf der Zuschauerempore die Arme hoch.

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