Wegen des Missbrauchsskandals am jesuitischen Canisius-Kolleg in Berlin wird heute der deutsche Ordenschef in dem katholischen Elitegymnasium erwartet. Provinzial Stefan Dartmann will dort für Fragen in Zusammenhang mit diesen Fällen zur Verfügung stehen, wie die Deutsche Provinz der Jesuiten mitteilte. An dem Kolleg in der Hauptstadt sollen zwischen 1975 und 1982 mindestens 22 Kinder und Jugendliche missbraucht worden sein. Bis Mitte Februar soll dazu ein Untersuchungsbericht erstellt werden.
Dartmann hatte am Sonntag eine "vollständige Aufklärung im Interesse der Opfer" angekündigt. Der Orden hat Ursula Raue, lange Jahre Vorsitzende der Kinderschutzorganisation "Innocence in Danger", mit Ermittlungen beauftragt. Der Rektor des Kollegs, Pater Klaus Mertes, hatte Ende vergangener Woche öffentlich gemacht, dass zwei Lehrer in den 70er und 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht haben sollen. Der frühere Rektor, Pater Hermann Breulmann, sagte dem "Tagesspiegel" (Montag), er habe von keinem Missbrauchsfall gewusst.
Der Skandal weitete sich unterdessen aus. Möglicherweise ist auch das Jesuiten-Kolleg in St. Blasien in Baden-Württemberg betroffen. Ein früherer Pater, der in Berlin Taten gestanden hat, unterrichtete in den 80er Jahren dort. "Ich muss davon ausgehen und gehe davon aus, dass es durch ihn auch am Kolleg St. Blasien Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben hat", sagte Direktor Pater Johannes Siebner der dpa. Von 1979 bis 1982 hatte der damalige Lehrer zudem an der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule unterrichtet, wie das Erzbistum bestätigte. Bislang gebe es aber keine Hinweise, dass es dort ebenfalls zu sexuellen Übergriffen gekommen sei, sagte ein Sprecher.
Die Vorgänge werfen auch ein Schlaglicht auf den Umgang der Kirche mit solchen Fällen. Jesuitenpater Breulmann sagte, 2002 erlassene "Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch" seien zwar wichtig. Sie müssten aber konsequenter angewandt werden, sagte er im "Tagesspiegel". Die Deutsche Bischofskonferenz zeigte sich "tief betroffen". Die Richtlinien von 2002 seien "unmissverständlich und nach wie vor die Grundlage unseres Handelns", sagte ein Sprecher.