Pascal-Prozess "Wir sind immer noch am Anfang"

Der Mammut-Prozess um den Mord an dem fünfjährigen Pascal, der heute fortgesetzt wird, ist von Pannen und Widersprüchen geprägt, nicht einmal die Leiche ist gefunden worden. Beobachter rechnen dennoch mit einem Schuldspruch.

Der Selbstmordversuch eines Angeklagten, drei Geständnisse mit vielen Widersprüchen und jede Menge Vorwürfe gegen die Polizei - das ist die Bilanz des Pascal-Prozesses nach knapp vier Monaten. Am Montag wird die Verhandlung nach fast dreiwöchiger Pause vor dem Saarbrücker Landgericht fortgesetzt. Und je länger der Prozess dauert, desto uneiniger sind sich die Beobachter: Er wird platzen, befürchten die einen. Die anderen sind sich sicher: Am Ende steht ein Schuldspruch. Immerhin gebe es Geständnisse, wenn auch zwei davon von geistig Zurückgebliebenen.

13 Männer und Frauen sind angeklagt, den kleinen Pascal im September 2001 im Hinterzimmer einer Kneipe ermordet und schwer sexuell missbraucht oder Beihilfe dazu geleistet zu haben. Zwei von ihnen sind inzwischen auf freiem Fuß, weil es gegen sie keinen dringenden Tatverdacht mehr gebe. Die Anklage bleibt aber bestehen.

Schwere Vorwürde gegen die Polizei

Vorgesehen für diesen Montag sind weitere Vernehmungen von Polizeibeamten. Aber wie so oft in diesem Prozess kann es auch anders kommen. Möglich ist eine Einlassung der 50-jährigen Angeklagten Gabi G. Die Kassiererin, der Beihilfe zur Vergewaltigung von Pascal vorgeworfen wird, hat in polizeilichen Verhören bereits gestanden, später aber ihre Aussagen widerrufen. Ihre Anwältin wirft der Polizei jetzt unsaubere Verhörmethoden vor. Bereits zuvor hatte ein weiterer Angeklagter seine Aussagen widerrufen mit der Begründung, er sei bei der Polizei bedroht und geschlagen worden.

Das scheint die Strategie mehrerer Verteidiger zu sein - die wenigen vorliegenden Geständnisse und Zeugenaussagen zu zerpflücken und "als in den Mund gelegt" oder gar als erpresst zu entlarven. Der Anwalt der Hauptangeklagten Wirtin der Tosa-Klause, Walter Teusch, spricht außerdem "von jeder Menge" Entlastungszeugen, die noch zu hören seien. "Auch wenn es anders aussieht, wir sind immer noch am Anfang."

Teuschs Hauptaugenmerk liegt momentan auf dem Ergebnis eines Gutachtens zur Aussagefähigkeit des inzwischen neun Jahre alten Jungen B. Er gilt als Schlüsselfigur, hatte er doch mit seinen Berichten über sexuellen Missbrauch die Polizei erst auf die Spur der mutmaßlichen Kinderschänder gebracht.

Kein Ende in Sicht

Seit September wird der Fall nun verhandelt, und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Mindestens bis Mitte des Jahres wird sich der Mammut-Prozess noch hinziehen, so die allgemeine Einschätzung. Von den mehr als 80 Zeugen, die vernommen werden sollen, ist erst ein Bruchteil gehört worden, darunter eine ganze Fußballmannschaft. Ausgerechnet deren Vernehmung muss nachgeholt werden: Einer der Hauptangeklagten, der des Mordes beschuldigte Martin R., war bei der ersten Vernehmung nicht verhandlungsfähig. Er hatte kurz darauf versucht, sich mit Rasierklingen das Leben zu nehmen.

"Das Gericht geht sehr sorgfältig vor", lautet die Einschätzung des Kriminologen Christian Pfeiffer. Er beobachtet den Prozess nur aus der Ferne, aber sein bisheriger Eindruck: Trotz aller Widersprüche gebe es einen Kernsachverhalt, in dem die Aussagen übereinstimmten. "Nach der bisherigen Berichterstattung war es auf jeden Fall richtig, Anklage zu erheben und es war vom Gericht richtig, diese zuzulassen", sagt er. Die Beweiswürdigung sei allerdings einzig Sache der Richter und ergebe sich aus der Unmittelbarkeit des Gerichtssaals, schränkt der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover ein.

Laut Aussagen von zwei Angeklagten wurde Pascals Leiche in einer Kiesgrube in Lothringen vergraben. Dort wurde sie trotz intensiver Suche nie gefunden. Aber auch das stehe einer Verurteilung nicht notwendigerweise entgegen, sagt Pfeiffer: Schon häufiger habe es in Deutschland spektakuläre Prozesse gegeben, ohne Leiche, ohne DNA-Spuren, ohne exakte naturwissenschaftlich gesicherte Beweise, die mit einem Schuldspruch geendet hätten. Pfeiffers derzeitige Prognose für den Pascal-Prozess: "Es wird mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Schuldspruch geben."

AP
Barbara Spitzer/AP

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