Der arbeitslose Lehrer Jens Ammoser ist wegen seiner Ohrfeige für Bundeskanzler Gerhard Schröder zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss der 52-Jährige 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. "Die Tat war hinterhältig", sagte Richter Wolfgang Winkler vom Amtsgericht Mannheim in der Urteilsbegründung. Er befand Ammoser der vorsätzlichen Körperverletzung und Beleidigung für schuldig. Ammoser hatte Schröder am 18. Mai auf einem Empfang für neue SPD-Mitglieder angegriffen. Die Anklage hatte eine sechsmonatige Bewährungsstrafe gefordert.
Richter Winkler bezeichnete Ammoser als einen Wirrkopf. Der Angeklagte hatte seine Tat mit Ärger über die Reformpolitik der Bundesregierung begründet und sich dabei auf das Widerstandsrecht im Grundgesetz berufen. Dies sei abstrus, sagte der Richter und betonte: "Es kann einfach nicht sein, dass man seine politische Unzufriedenheit durch körperliche Gewalt auslebt." Normalerweise gebe es für Ohrfeigen eine Geldstrafe.
Kanzlerwitze und Kontonummer
Ammoser sagte: "Es wird von mir keine Wiederholung der Tat geben." Im Gerichtssaal verteilte er vor Verhandlungsbeginn Pressemappen mit Kanzlerwitzen. Er trug ein T-Shirt, auf dessen Vorderseite ein Bild von von Ex-SPD-Chef Willy Brandt gedruckt war. Auf dem Rücken stand Ammosers Kontonummer. Als Talisman stellte er vor sich einen kleinen roten Teufel auf. Rund 40 Zuschauer und ebenso viele Journalisten kamen zu der Verhandlung.
Ammoser hatte Schröder bei einem Empfang für 150 neue SPD-Mitglieder angegriffen. Staatsanwalt Heiko Klein sagte, der Angeklagte sei auf den Kanzler zugesprungen und habe ihn "ohne rechtfertigenden Grund mit der rechten Hand geschlagen". Er habe "rücksichtslos, gefühllos und niederträchtig" gehandelt. Seine Motive seien rein egoistischer Natur, die Tat "ein Akt der Selbstdarstellung" gewesen. Der Angeklagte sei nicht der Vertreter von Millionen.
Ohrfeige wegen Wahllügen
Ammoser, der seit 1995 arbeitslos ist, räumte die Ohrfeige ein: "Keine Angst, ich stehe zu der Tat", sagte er. Der Bundeskanzler habe jede Menge Wahllügen gemacht. "Gerhard Schröder versucht den Sozialstaat abzuschaffen." Ammoser hatte für sich "Freispruch wegen Lächerlichkeit" beantragt.
Den drei damals im Saal anwesenden Personenschützer war Ammoser nicht aufgefallen. Ein Personenschützer sagte, der Arbeitslose habe ausgeholt und zugeschlagen. "Das Klatschgeräusch war zu hören." Er habe Ammoser daraufhin zurückgedrängt und überwältigt. Verwirrung hatte es vor der Verhandlung um den Termin gegeben, nachdem Ammosers Anwalt wenige Tage vor der Verhandlung sein Mandat niedergelegt hatte.
"Die Politik wird im nächsten Jahr für Tote sorgen"
Ammoser war im Februar in die SPD eingetreten, nach der Ohrfeige wurde er sofort wieder aus der Partei ausgeschlossen. Trotzdem kandidierte er bei den Kommunalwahlen am 13. Juni auf der SPD-Liste für den Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald. Ammoser errang aber kein Mandat.
Der nach seinem Referendariat nie in den Schuldienst übernommene Gymnasiallehrer sagte mit Hinblick auf die Auswirkungen der Reformpolitik von Bundeskanzler Schröder: "Ich fürchte, die Politik wird im nächsten Jahr für Tote sorgen."