Prozess um den Tod von Diren D. "Es war Mord"

Notwehr oder Mord? Diese Frage steht im Prozess um den Tod des Hamburger Austauschschülers Diren D. im Fokus. Der 17-Jährige war im April erschossen worden, nachdem er in eine Garage eingedrungen war.

Diren war auch da. Irgendwie zumindest, in den Gedanken seiner Familie und auf ihren T-Shirts. "Du wirst immer in unseren Herzen sein", stand auf den schwarzen Hemden, die einige Angehörige des Hamburger Austauschschülers trugen, als am Montag in Montana im Nordwesten der USA der Prozess gegen den Mann begann, der den 17-Jährigen erschossen hatte. Notwehr und ein tragisches Versehen, sagt die Verteidigung. Mord, die Anklage.

"Er hat wissentlich und absichtlich den Tod von Diren herbeigeführt. Genau das ist die Definition von Mord", sagte Staatsanwalt Andrew Paul. "Es war Mord!" Der Angeklagte, ein 30 Jahre alter früherer Feuerwehrmann, guckt bei diesen Worten fast trotzig. Nur ein paar Meter entfernt sitzt Direns Vater, breitschultrig, die Arme vor der Brust verschränkt, der Blick kämpferisch. Und doch wird das Gesicht sofort von Erschütterung gezeichnet, wenn im Gerichtssaal der Name seines Sohnes fällt, der nur 17 Jahre alt wurde.

Tappte Diren in eine Falle?

Diren war im April in eine Garage eingedrungen und wurde dort vom Besitzer erschossen. Nach zwei Einbrüchen habe er wieder einen Dieb vermutet und Angst gehabt, der gestellte Mann würde ihn oder seine Familie angreifen, sagt der Verteidiger des 30-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann jedoch vor, er habe mit einer Handtasche in der offenen Garage Dieben eine Falle stellen wollen, um diese dann über den Haufen zu schießen. "Ich werde die Scheißkerle töten", soll er gesagt haben.

Das Bild der waffenstarrenden Nation, in der man an jeder Ecke sogar Sturmgewehre kaufen kann, ist in den meisten Teilen der USA nur ein Klischee. Im Bundesstaat Montana nicht. Mehr als 57 Prozent der Menschen in Montana sollen über mindestens eine Waffe verfügen. Platz 3 von 51, mehr sind es nur noch im benachbarten Wyoming und im noch dünner besiedelten Alaska.

Und dennoch gibt es in nur wenigen Staaten weniger Morde als in Montana. Gerade 22 waren es im vergangenen Jahr. Montana ist größer als Deutschland, hat aber etwas weniger Einwohner als Köln: 1,01 Millionen. In Köln - bei ähnlicher Einwohnerzahl - waren es mehr als doppelt so viele Fälle von Mord und Totschlag, wie aus der Statistik der Polizei hervorgeht.

Mitleid und "Selbst schuld"-Mentalität

Der Fall hat in den USA für mäßiges Interesse gesorgt, im ländlichen Montana schlugen die Wellen jedoch hoch. Mitleid mit dem jungen Hamburger äußert praktisch jeder. Aber nicht wenige verstecken nicht ihre "Selbst schuld"-Mentalität. Als zum Prozessauftakt einer der möglichen Geschworenen anfängt mit "Da geht einfach einer auf fremdes Eigentum..." unterbricht ihn der Richter. Das solle ja alles im Prozess geklärt werden.

"Dieser Fall hat für viel Aufregung gesorgt", sagt Richter Edward McLean. "Aber der Angeklagte gilt als unschuldig, bevor der Staat nicht zweifelsfrei seine Schuld bewiesen hat." Die Geschworenen sollten möglichst alles vergessen, was sie über den Fall gehört haben. "Natürlich haben Sie nicht die letzten sieben Monate in einem Schrank gesessen. Aber wenn Sie hier sitzen würden, würden Sie auch einen fairen Prozess haben wollen. Und genau den soll er bekommen."

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mod/Chris Melzer/DPA

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