Ob Hochseekapitän, Binnenschiffer oder Freizeitskipper - Alkohol ist für viele ein ständiger Begleiter an Bord. 2003 stellte die Wasserschutzpolizei bundesweit 135 Alkoholdelikte am Ruder fest. Spitzenreiter war dabei Brandenburg mit 38 Fällen, bei denen Alkoholwerte bis zu drei Promille ermittelt wurden, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (22) und Berlin (18).
Zunahme der alkoholbedingten Unfälle
Zugleich nimmt die Zahl alkoholbedingter Unfälle in der Seeschifffahrt zu. Allein im vergangenen Jahr wurden von den Seeämtern im Bereich Hamburg, Kiel und Rostock zehn Fahrverbote gegen Kapitäne verhängt. Zwischen 2000 und 2002 waren es im Vergleich dazu nur 19 und von 1995 bis 1999 insgesamt sogar nur sechs.
Nach wie vor profitieren Kapitäne von Gesetzeslücken. Zwar gilt für Binnengewässer in Deutschland die 0,5-Promille-Grenze, in der Seeschifffahrt sind es 0,8 Promille. Doch während betrunkenen Freizeitskippern sofort der Motorbootführerschein entzogen werden kann, wird es für Berufsschiffer nur dann ernst, wenn sie einen Unfall verursachen. Sonst brauchen sie weder ein Fahrverbot noch den Verlust ihres Patents befürchten, wie die Aktionskonferenz Nordsee (AKN) in Bremen betont.
"Den Seeämtern fehlt dafür die Grundlage", sagt AKN-Rechtsexperte Eike Narringa. Zwar würden Strafverfahren eingeleitet und von den Reedern oft auch Kündigungen ausgesprochen. "Aber all dies ändert nichts an der Tatsache, dass die betroffenen deutschen oder ausländischen Kapitäne ihre Reise fortsetzen und dann gegebenenfalls bei einem anderen Reeder oder einer anderen Crew-Agency erneut anheuern können", sagt Narringa.
Chemietanker verlor 500.000 Liter Schwefelsäure im Hafen
Wie gefährlich Alkohol am Ruder ist, zeigte sich jüngst Ende Juni im Hamburger Hafen, als der Kapitän eines Chemietankers mit 2,1 Promille einen Containerfrachter rammte und einen Millionenschaden verursachte. 500.000 Liter Schwefelsäure liefen aus und verursachten ein großes Fischsterben. Dem Kapitän wurde zunächst für drei Monate das Patent entzogen.
Im April vergangenen Jahres setzte ein Kapitän mit 3,12 Promille vor Cuxhaven den Salzfrachter "Anna" auf Grund. Drei Monate später steuerte ein Kapitän aus der Ukraine mit 2,74 Promille seinen 80-Meter-Frachter durch die Elbe und fiel erst auf, als er vom Weg abkam und eine Fahrwassermarkierung auf der falschen Seite passierte. Fast zeitgleich fuhr ein mit 2,4 Promille alkoholisierter Kapitän auf dem Greifswalder Bodden 26 Passagiere spazieren.
"What shall we do with the drunken sailor?"
Dabei können schon geringe Alkoholmengen fatale Folgen haben, wie eine Studie der Universität Kiel unter dem vielsagenden Titel "What shall we do with the drunken sailor?" bewiesen hat. In einer Untersuchung mit 21 Kapitänen, die am Simulator ein Containerschiff zu steuern hatten, stellten die Wissenschaftler schon bei 1,0 Promille fest, dass die Probanden erhebliche Probleme beim Navigieren hatten. "Die waren alle fix und fertig", sagt Studienleiter Hans-Jürgen Kaatsch fest.
Ungeachtet dessen greift man an Bord kräftig zur Flasche. "In der Berufsschifffahrt wird heute mindestens genauso viel getrunken wie früher", sagt Michael Blanke, Inspektor der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) in Bremen. Grund dafür seien die kurzen Liegezeiten, die meist keinen Landgang ermöglichten und auch die Tatsache, dass es an Bord meist keine zwei Besatzungsmitglieder gleicher Nationalität gebe. "Man kann sich nicht richtig austauschen, es ist langweilig, also wird getrunken", sagt Blanke.
Gesetzesverschärfung gefordert
Nach dem Unglück in Hamburg haben zahlreiche Politiker eine Gesetzesverschärfung gefordert. Hamburgs Umweltsenator Michael Freytag will zumindest für den Hamburger Hafen eine Null-Promille-Vorschrift einführen. Beim Bundesverkehrsministerium sieht man das dagegen nicht so dramatisch. Bei Unfällen mit Alkohol handele es sich um Einzelfälle, eine Gesetzesnovelle sei nicht in Planung, sagt ein Ministeriumssprecher.