Selbstjustiz in Texas Joe Horn macht kurzen Prozess

Von Matthias B. Krause, New York
Als im Nachbarhaus im texanischen Pasadena Einbrecher zugange waren, zögerte Joe Horn nicht lange. Der Rentner erschoss die beiden. Dennoch hat ein Gericht ihn nun freigesprochen. Der Fall sorgt für Wirbel, nicht nur, weil es sich bei den Opfern um illegale Einwanderer handelte.

In der ruhigen Nachbarschaft von Pasadena, einem Vorort der texanischen Öl-Metropole Houston, war Joe Horn nie besonders aufgefallen. Er lebte das ruhige Leben eines Rentners im Haus seiner Tochter. Darüber war er alt geworden und ziemlich übergewichtig. Doch das, was die Notrufzentrale am 14. November vergangenen Jahres mitschnitt, klang ganz anders. Er habe beobachtet, dass in das Haus nebenan eingebrochen worden sei, sagt Horn darin - und jetzt werde er mit seinem Jagdgewehr rausgehen und die Einbrecher stellen. Der Mann am anderen Ende fleht ihn an, drinnen zu bleiben: "Sonst riskierst du, erschossen zu werden", sagt er. Horn erwidert: "Willst du eine Wette abschließen? Ich werde sie töten". Dann tritt er vor die Tür und feuert dreimal in schneller Folge. Die beiden Einbrecher - im Rücken getroffen - sterben auf der Stelle.

"Schießt ihnen in den Rücken"

Seitdem hat Horn, 62, keine Minute im Gefängnis verbracht. Ein Polizist, der die Szene beobachtete, sah keinen Grund, ihn zu verhaften. An diesem Montag nun sprach auch eine Grand Jury Horn frei. Damit hat er keine Strafverfolgung mehr zu fürchten. Die Laienrichter hörten zwei Wochen lang die Zeugen in dem Fall, dann entschieden sie, Horn habe im Sinne des in Texas herrschenden "Castle Law" gehandelt. Somit ist er weder ein "Mörder" noch einer, der "Selbstjustiz" vollzogen habe, wie seine Kritiker beklagen, sondern der "Held", als den ihn seine Nachbarn feiern. Einer von ihnen, Randi Laird, jubelte nach der Entscheidung: "Sie waren Diebe, schießt ihnen in den Rücken, in den Hintern. Tötet sie."

Der Fall brodelte monatelang in Texas und rief die landesweiten Medien auf den Plan. Es gab Proteste und Gegenproteste. Horn erhielt Todesdrohungen. Die einen sehen in ihm einen Mann, der Recht und Gesetz durchsetzte und dafür sorgt, dass seine Nachbarn ruhig schlafen können. In Texas und mehr als zwei Dutzend weiteren US-Bundesstaaten gelten Regelungen, die den Leuten das Recht zugestehen, nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Besitztümer und ihre Immobilien mit Waffengewalt zu verteidigen. Sind die Gesetze, die aus den Zeiten des Wilden Westens stammen und seitdem nur wenig verändert wurden, besonders locker, erlauben sie, wie in Texas, unter bestimmten Umständen sogar, auch das Hab und Gut anderer zu schützen.

Die Einbrecher waren illegale Einwanderer

Die Kritiker glauben, der Fall wäre ganz anders entschieden worden, hätte es sich bei Horn nicht um einen Weißen und bei den Einbrechern Hernando Torres, 38, und Diego Ortiz, 30, nicht um illegale Einwanderer aus Kolumbien gehandelt. Frank Ortiz, Mitglied der Bürgerrechtsgruppe United Latin American Citizen, sagte dem "Houston Chronicle": "Es ist erstaunlich, dass sie ihn freigesprochen haben, obwohl es so viele Beweise gegen ihn gab. Und es ist erstaunlich, dass niemand mit einem hispanischen Nachnamen Gerechtigkeit bekommen kann. Dies war nichts anderes als ein Akt der Selbstjustiz." Die Ortsgruppe der New Black Pather schlug sich ebenfalls auf die Seite der Opfer, ein Aktivist namens Quanell X sagt: "Houston ist nun eine Stadt in Gottes Hand. Man braucht keine Justiz mehr, keine Polizei, keinen Richter und keine Jury. Du kannst all das ganz alleine machen." Er erinnerte zudem an einen Fall vor wenigen Wochen, in dem ein Schwarzer festgenommen worden war, weil er einen Hund auf seinem Grundstück erschossen hatte. Erst als er nachweisen konnte, dass der Hund ihn und seine Familie bedroht hatte, wurde er wieder freigelassen.

Die Debatte über das Recht und Unrecht von Horns Handeln erhält vor dem Hintergrund der Diskussion um illegale Einwanderung und Waffengesetze zusätzliche Brisanz. Mehr als zwölf Millionen Menschen leben in den USA ohne korrekte Papiere. Alle Versuche, das Problem zu lösen, scheiterten bislang an dem massiven und ideologisch aufgeheizten Widerstand der Republikaner und der konservativen Demokraten im Kongress. Die einigten sich nur darauf, den Grenzzaun zu Mexiko massiv auszubauen. Vergangene Woche hatte der Supreme Court zudem die strengen Waffengesetze in der Bundeshauptstadt Washington für verfassungswidrig erklärt. Nach Auffassung der konservativen Richter hat jeder Amerikaner laut Grundgesetz das Recht, eine Waffe zu besitzen.

Joe Horn, der seit 30 Jahren jagen geht, hatte nie Zweifel daran, dass er im Namen von Recht und Gesetz handelte, als er vor seine Tür trat und schoß. Gewissensbisse plagen ihn dennoch. Und der Trubel um seine Person macht ihm schwer zu schaffen: "Mein Leben ist die Hölle. Und das meiner Familie auch." Nächstes Mal, sagt er, würde er im Haus auf die Polizei warten. Im Augenblick allerdings versucht er nur, dem Scheinwerferlicht zu entgehen. Vor seinem Haus hat er ein großes Schild aufgestellt, das das Betreten des Geländes verbietet. Eine Warnung, die man besser ernst nehmen sollte.

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