Somalische Piraten haben wieder ein deutsches Schiff im Golf von Aden gekapert. Der Frachter "MV Victoria" wurde bereits am Dienstagnachmittag 120 Seemeilen nördlich der somalischen Hafenstadt Boosaaso überfallen, bestätigte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am Mittwoch in Berlin. Die elfköpfige, ausschließlich rumänische Besatzung soll unversehrt sein. Das Schiff war im Auftrag einer deutschen Reederei auf dem Weg von Indien nach Saudi-Arabien und fährt unter der Flagge Antiguas. Es hat 10.000 Tonnen Reis geladen.
Nach Aussage von Raabe war die "MV Victoria" in einem unbegleiteten Konvoi in dem Korridor unterwegs, der von Marineschiffen bewacht wird. Eine türkische Fregatte war rund 100 Seemeilen entfernt, ein Hubschrauber konnte den Frachter nicht rechtzeitig erreichen. Die Piraten waren schon an Bord. Die Bewachung sei "nicht lückenlos", räumte Raabe ein, betonte aber: "Es bleibt dabei: Die Mission Atalanta ist erfolgreich".
Nach Angaben der Freien Matrosen-Gewerkschaft im rumänischen Constanta kletterten acht Piraten aus kleinen Fischerbooten an Bord und kaperten das Schiff. Es sei mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten unterwegs gewesen und habe eine niedrige Reeling. Das habe es den Piraten leicht gemacht, sagte Raabe. Wie die rumänische Firma Kru Maritime, die die Crew-Mitglieder an die deutsche Reederei vermittelt hat, mitteilte, konnte der Kapitän einmal mit dem deutschen Reeder telefonieren. Seither ist der Kontakt abgebrochen.
Mit der Kaperung der "MV Victoria" befinden sich jetzt 19 Schiffe in der Hand der Seeräuber. Darunter ist auch noch ein weiterer deutscher Frachter, das Containerschiff "Hansa Stavanger". Somalische Piraten haben seit vergangenem Jahr trotz verstärkter internationaler Militärpräsenz in der Region bereits mehr als 100 Schiffe in ihre Gewalt gebracht. Sie werden später in der Regel gegen Zahlung hoher Lösegelder wieder freigelassen. Einige Schiffe befinden sich monatelang in der Hand der Seeräuber.
Die FDP warf der Bundesregierung Untätigkeit und Selbstgefälligkeit vor. "Es werden mehr Schiffe entführt als je zuvor", monierte der Verteidigungsexperte der Partei, Rainer Stinner, am Mittwoch in Berlin. "Befreiungsaktionen von deutscher Seite scheinen - warum auch immer - nicht möglich zu sein." Er forderte die Regierung auf, nicht mehr auf Lösegeldzahlungen zu setzen. Durch das Geld hätten Piraten die Möglichkeit, weiter aufzurüsten. "Die einzig praktikable Lösung ist, die Mutterschiffe der Piraten außer Gefecht zu setzen", sagte Stinner. "Die Bundesregierung hat das Mandat dafür, sie muss es nur umsetzen."
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin kritisierte: "Die erneute Entführung eines deutschen Schiffes zeigt die Defizite der EU Mission Atalanta." Er sprach von "Schlendrian" und forderte die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes für Piraterie.