Nach dem Angriff auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 wurden Hunderte Randalierer angeklagt, für schuldig befunden und verurteilt. Auch Samuel Lazar saß wegen seiner Beteiligung an der Erstürmung des Parlamentssitzes im Gefängnis. Doch im Gegensatz zu den anderen Verurteilten machen die Behörden um seinen Fall ein großes Geheimnis, wie die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtet.
"Es gibt keine öffentlichen Aufzeichnungen über eine Verurteilung"
Lazar war AP zufolge im Juli 2021 unter dem Vorwurf festgenommen worden, er sei in Kampfausrüstung und mit Schutzbrille zum Kapitol gekommen und habe ein chemisches Spray gegen Beamte eingesetzt, die verzweifelt versuchten, den Mob zurückzuschlagen. Ein Bundesgericht in Washington habe ihn nach Angaben der Gefängnisbehörde später zu einer 30-monatigen Haftstrafe verurteilt. In dieser Woche sei er aus der Obhut der Strafvollzugsbehörden entlassen worden, nachdem er eine Strafe wegen Angriffs auf oder Widerstandes gegen einen Bundesbeamten verbüßt hatte.
"Doch es gibt keine öffentlichen Aufzeichnungen über eine Verurteilung oder ein Strafmaß in Lazars Gerichtsakte", schreibt die Nachrichtenagentur. Fragen zum Fall des 37-jährigen Mannes aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania seien seit Monaten im Umlauf, aber Einzelheiten seien bisher nicht bekannt gegeben worden. Warum der Fall unter Verschluss bleibe, wolle das Justizministerium nicht sagen und Lazars Anwälte hätten auf mehrere Anfragen nicht reagiert. Auch die zuständige Richterin Amy Berman Jackson habe im Mai einen Antrag mehrerer Medien, einschließlich der AP, abgelehnt, eventuell vorhandene versiegelte Akten freizugeben, nachdem ein Staatsanwalt und ein Verteidiger dagegen argumentiert hatten.
Der Fall wecke Bedenken hinsichtlich der Transparenz bei den umfangreichen Ermittlungen zu den Ereignissen am 6. Januar, berichtet die Nachrichtenagentur. Gerichtliche Anhörungen und Aufzeichnungen – einschließlich der Anhörungen zum Strafmaß und einer möglichen Einigung auf ein Geständnis – müssten in den USA der Öffentlichkeit und der Presse zugänglich sein, es sei denn, es bestehe ein zwingender Grund zur Geheimhaltung. Zwar seinen geheime Anhörungen nicht ungewöhnlich, allerdings würden die Akten oft vor der Urteilsverkündung freigegeben.
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Er könne sich an keinen Fall während seiner Amtszeit im Justizministerium erinnern, in dem eine Anhörung und ein Urteil unter Verschluss gehalten wurden, sagte der Strafrechtsprofessor Randall Eliason von der George Washington University, der zwölf Jahre lang als Bundesstaatsanwalt tätig war, gegenüber der Associated Press. Möglich sei, dass es im Fall Lazar "entweder Sicherheitsbedenken in Bezug auf ihn persönlich gibt oder, was wahrscheinlicher ist, dass er in irgendeiner Hinsicht kooperiert, von der die Leute, gegen die er kooperiert, nichts wissen sollen".
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Aber auch viele andere wegen des Kapitolsturms Angeklagte hätten Kooperationsvereinbarungen mit der Regierung getroffen, und ihre Fälle seien nicht im Geheimen geregelt worden, berichtet AP. Angeklagte, die sich bereit erklärten, mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren, erhielten oft einen Aufschub ihrer Strafmaßanhörungen, bis sie ihre Kooperation beendet hätten. "Die Tatsache, dass er auch verurteilt wurde, ins Gefängnis ging und bereits wieder draußen ist, ist einfach ungewöhnlich", kommentierte Eliason die andauernde Geheimhaltung der Akten.
Lazar war am 6. Januar mit einem Megaphon, einer Skibrille, einer Kampfweste mit Funkgerät und Gesichtsbemalung in Tarnfarben zum Kapitol gekommen. Videos der Kapitolerstürmung zeigten, wie der 37-Jährige sich den Polizeiketten vor dem Gebäude nähert und einen orangefarbenen chemischen Reizstoff in Richtung der Beamten sprüht, berichtet AP unter Berufung auf die Aussage eines FBI-Beamten. Durch sein Megaphon habe der Angreifer die Polizei beschimpft, sie als Tyrannen bezeichnet und geschrien: "Holen wir uns ihre Waffen!" Auf einem anderen Video sei zu sehen, wie Lazar sagt: "Es gibt eine Zeit für Frieden und eine Zeit für Krieg."

Womöglich kommt aber doch noch Licht in das Dunkel, das den Fall Lazar umgibt. Richterin Jackson erklärte im Mai, dass die Medien ihren Antrag auf Freigabe der Gerichtsakten erneuern könnten. Bis zum 29. September hätten deren Anwälte Zeit, um "einen aktualisierten Statusbericht einzureichen, der ihre Position oder Positionen in dieser Angelegenheit darlegt".
Quellen: Associated Press