Urteil 14 Jahre für Mutter von verdurstetem Baby

Eine 21-jährige Frau aus Thüringen ließ ihre zwei Kleinkinder tagelang alleine in der halbdunklen Wohnung zurück. Der neunmonatige Sohn der Drogensüchtigen verdurstete qualvoll. In ihrem Schlusswort vor Gericht entschuldigte sich die junge Mutter, trotzdem muss sie jahrelang ins Gefängnis.

Weil sie ihr Baby verdursten ließ, muss eine 21-jährige Mutter aus dem thüringischen Sömmerda für 14 Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Erfurt verurteilte die Frau wegen Mordes, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Damit ging das Gericht noch über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Die 21-Jährige hatte ihre beiden Kinder vier Tage lang allein in ihrer Wohnung gelassen. Als das Jugendamt am 14. Dezember 2006 die Tür aufbrechen ließ, fand man den neun Monate alten Leon Sebastian tot in seinem Gitterbett. Die zweijährige Lena Isabell lebte noch und konnte in letzter Minute gerettet werden. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen eines besonders schweren Falls von Totschlag eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt. Die Verteidigung hatte für eine Jugendstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge plädiert.

Das qualvolle Sterben des neun Monate alten Jungen sei ein besonders schwerer Fall von Totschlag, sagte Staatsanwalt Alexander Gröll vor dem Landgericht Erfurt und forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe. In ihrem letzten Wort vor der Urteilsspechung sagte die Angeklagte: "Ich möchte sagen, dass es mir wirklich Leid tut. Ich hab's nicht gewollt."

Sie habe alles schleifen lassen

"Der Tod des kleinen Leon ist das Ergebnis von erheblicher Eigensucht", sagte Gröll. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem Sterben auf Raten. Nach der Trennung von ihrem Mann habe für die junge Frau die Suche nach einem neuen Lebenspartner alles überstrahlt. Ihre beiden Kinder seien dabei nur im Weg gewesen. Anfangs hätten sie noch regelmäßig ihre Mahlzeiten bekommen, später sei sie immer häufiger, zuletzt auch über Nacht, allein bei einer Freundin gewesen, habe mit ihr Drogen und Alkohol konsumiert. Sie habe alles schleifen lassen, keine Sozialhilfe beantragt, Rechnungen nicht mehr beglichen. Wenn sie sich von der Gesamtsituation überfordert gefühlt habe, dann sei es unbegreiflich, warum sie keine Hilfe angenommen oder erbeten habe, sagte Gröll.

Als Anfang November 2006 der Strom abgestellt worden sei, hätten die Geschwister im Halbdunkel wie in einem Käfig gehaust. Im Unterschied dazu habe sie auf ihr Äußeres geachtet, Internetcafés und Solarien besucht. Am 24. November 2006 sei sie sogar von einem Radiosender als "Single des Monats" interviewt worden. In dem Gespräch habe sie sich als allein erziehende Mutter eines Kindes vorgestellt und Leon, das zweite Kind, "mit dem sie sowieso nichts am Hut hatte", völlig unterschlagen, sagte Gröll. Am 10. Dezember, habe sie Lena Isabell ein Rosinenbrot und Leon zwei Fläschchen Babynahrung gebracht. Danach sei sie mit einem Freund herumgezogen und habe vielleicht gerade in dem Moment in einem Restaurant gegessen, als Leon verdurstet sei.

Anwältin sieht kein Motiv für Tötungsvorsatz

Anwältin Stefanie Ernst sprach zunächst von der schweren Kindheit und Jugend der Angeklagten. Im Alter von zehn Jahren sei sie von einem Freund ihrer Mutter mehrfach vergewaltigt worden. Sie sei in die Psychiatrie eingewiesen worden und habe mit 16 Jahren versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Ernst sagte in ihrem Plädoyer, dass der von der Staatsanwaltschaft angenommene Tötungsvorsatz niemals vorhanden gewesen sei. Nachdem die junge Mutter ihre Kinder am Sonntag zum letzten Mal versorgt habe, sei sie davon ausgegangen, dass die beiden am darauf folgenden Montag vom Jugendamt geholt würden.

Ende November habe sie per E-Mail einen Hilferuf an einen Mitarbeiter der Wohnungsgenossenschaft gesendet und mitgeteilt, dass sie sich überfordert fühle. Diese Mail sei nicht angekommen, was die Angeklagte aber nicht gewusst habe. Die junge Frau habe nicht gewollt, dass ihre Kinder auf grausame Weise ums Leben kommen sollten. Gedankenlosigkeit sei ihr dagegen sehr wohl zu unterstellen, sagte Ernst.

AP
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