Im Bielefelder Prozess um einen ungewöhnlichen Versicherungsbetrug hat die Staatsanwaltschaft am Montag acht Jahre Haft für die Hauptangeklagte gefordert. Die 39-jährige Frau aus Hameln soll laut Anklage einen ihr hörigen Mann mit dessen Einverständnis zwei Mal überfahren haben, um dessen Unfallversicherungen zu kassieren. Seither ist der 55-Jährige schwerbehindert. Für eine 46-Jährige und einen gleichaltrigen Freund forderte die Staatswanwaltschaft je drei Jahre Haft wegen Beihilfe. Für das "Opfer" sei eine zweijährige Bewährungsstrafe angemessen. Gegen zwei Rechtsanwälte wird noch gesondert wegen Beihilfe ermittelt.
Trümmerbrüche in beiden Beinen und einem Arm
Im Februar 2001 habe sich der Mann mit dem Auto überfahren lassen. Dabei waren sein rechter Oberschenkel und das Sprunggelenk gebrochen. Doch das Geld habe nicht genügt, woraufhin er sich im April 2001 nochmals überfahren ließ. Bei den fingierten Unfällen hatte sich der 55-jährige, schwer depressive Mann Trümmerbrüche in beiden Beinen und einem Arm zugezogen. Die Hauptangeklagte hatte den Versicherungen gegenüber erklärt, der Mann habe sich die Verletzungen beim Transport von Möbeln und bei Treppenstürzen zugezogen. Nach Überzeugung eines Gutachters waren die Verletzungen jedoch nicht mit einem solchen Unfallhergang in Einklang zu bringen. Ein psychologisches Gutachten hatte dem willensschwachen und suizidgefährdeten Vater von sechs Kindern verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt.
In seinem Plädoyer sagte Staatsanwalt Rainer Kahnert vor dem Bielefelder Landgericht, die Angeklagte habe rücksichtslos und grausam gehandelt und ihr Opfer für immer zum Schwerbehinderten gemacht, um mehr als 800.000 Euro zu kassieren. Die Angeklagte sei unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Versicherungsbetrugs zu bestrafen. Für den 55-Jährigen verlangte der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe wegen Versicherungsbetruges. Die Verteidigung der Frau plädierte auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als fünf Jahren für die Angeklagte wegen schweren Versicherungsbetrugs.
"Habgierig, geldgierig und berechnend"
Die Hauptangeklagte habe sich der schweren Körperverletzung schuldig gemacht, sagte der Staatsanwalt. Ihr Verhalten gegenüber ihrem damaligen Mitbewohner sei rücksichtslos und grausam gewesen. "Habgierig, geldgierig und berechnend hat sie ihn zu einem Objekt degradiert und ihn zutiefst menschenunwürdig behandelt". Der Prozess habe Einblicke in ein Beziehungsgeflecht geliefert, das alle Zutaten für einen Roman liefere: "Nähe und Gewalt, Liebe und Hass, Unterwerfung und Ausbeutung."
Einen großen Teil der Versicherungssumme soll die Hauptangeklagte mit ihrer Lebensgefährtin, einer wegen versuchten Mordes vorbestraften Sozialtherapeutin, durchgebracht haben. Was mit dem übrigen Geld geschehen ist, wollte die 39-Jährige während der Hauptverhandlung nicht sagen. Der Vorsitzende Richter hatte angekündigt, dass sich ihr beharrliches Schweigen negativ auf das Urteil auswirken werde.