Herr Schweda, seit Jahren hört man von dem Phänomen, dass immer vor TV-Großereignissen wie der Fußball-WM besonders viele Fernseher kaputt gehen und als Versicherungsschaden eingereicht werden - mutmaßlich, weil ein neues Gerät angeschafft werden soll. Hat der Versicherungsbetrug vor der WM Hochkonjunktur?
Es gibt zwar keine gesicherten Statistiken, die das belegen. Aber das Gefühl, dass vor einer WM besonders viele Fernsehgeräte als Versicherungsschaden vorgelegt werden, teilen wir als Sachverständigenbüro mit den Sachbearbeitern der Versicherungen. Auf jeden Fall werden wir durch Versicherungen vor jeder WM wesentlich häufiger in Sachen Fernsehgeräte beauftragt. Das gleiche Phänomen gibt es übrigens bei Smartphones, wenn eine neue iPhone- oder Samsung-Generation auf dem Markt kommt.
Wie erkennen Sie, ob ein Fernseher tatsächlich einen Unfall hatte oder jemand ihn vorsätzlich zerstört hat?
In den meisten Fällen prüfen wir nach Aktenlage, weil Fernsehtransporte aufwendig sind. Das heißt, wir versuchen die Story des Versicherungskunden und die mitgelieferten Fotos mit dem Schadensbild in Einklang zu bringen. Meistens passt das. Aber wenn nicht, muss man der Sache auf den Grund gehen. Zum Beispiel, indem man das Gerät dann im Anschluss selbst untersucht. Wir bekommen im Monat 20 bis 30 Fernsehgeräte zur Prüfung angeliefert.
Was machen Sie mit denen?
Ich schaue mir an: Hat wirklich jemand etwas reingeworfen? Ist das Gerät umgefallen? Ist es von der Wand gefallen? Wenn jemand behauptet, der Nachbar sei mit der Schulter in den Fernseher gestolpert, aber statt einem großen Einschlag gibt es vier kleine, dann muss ich sagen: Ne Jungs, das Schadenbild passt nicht zu der Story.
Wie viele Versicherungsbetrüger können Sie so überführen?
Bei 5 bis 15 Prozent der untersuchten Fälle kann ich Betrug nachweisen, wobei wir hier nicht nur von Fernsehern sprechen, sondern auch von Smartphones, Laptops oder Digitalkameras, Heizungssteuerungen oder sonstigen elektrotechnischen Geräten. Ich sitze aber nicht hier, um den Leuten vors Knie zu treten, sondern bin der Neutralität verpflichtet. Wenn ich eine Schadenschilderung nicht widerlegen kann, stufe ich sie als plausibel ein. Punkt.
Welche besonders dreisten Betrugsversuche sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Da gibt es die wildesten Storys. Bei der WM vor vier Jahren hatten wir einen Fall, da konnte ich beweisen, dass der Fernseher bei Ebay günstig als Defekt-Gerät gekauft worden war, um ihn dann als Versicherungsschaden einzureichen. In einem anderen Fall wurde das gleiche Gerät innerhalb weniger Monate bei zwei Versicherungen als Schaden eingereicht. Pech für die Beteiligten, dass beide Versicherungen mit mir zusammenarbeiten.
Gilt Versicherungsbetrug immer noch als Kavaliersdelikt?
Definitiv. Vielen Menschen fehlt das Bewusstsein, dass das eine Straftat ist, die sogar mit Gefängnis bestraft werden kann. Es gibt die weitverbreitete Meinung, dass man nach jahrelangem Einzahlen in die Versicherung auch mal was rausbekommen muss. Deswegen empfinden viele Menschen das nicht als Betrug.
Haben die meisten Betrüger einen bestimmten sozialen Hintergrund oder geht das durch alle Schichten?
Das geht durch alle Gesellschaftsschichten - vom Hartz IV-Empfänger bis zum Universitätsprofessor. Ich hatte sogar mal einen Bezirksdirektor einer großen deutschen Versicherung, der seine eigene Firma betrogen hat. Da hat mich dann sogar der Vorstand angerufen, ob ich meiner Sache wirklich sicher bin. Aber ich konnte das nachweisen.
Was passiert mit den von Ihnen überführten Versicherungsbetrügern?
Ich schicke meinen Bericht mit der Beweisführung an die Versicherung. Was die dann damit macht, bekomme ich in den seltensten Fällen mit. Ich weiß, dass einige Versicherungen Betrug zur Anzeige bringen. Aber der gängige Standard ist, dass den Versicherten einfach gekündigt wird. Die haben es dann unter Umständen schwer, eine neue Versicherung abzuschließen, da meist Fragen kommen wie "Wo waren Sie vorher versichert? Gab es bereits Schäden? Warum haben Sie gekündigt?".
Werden Sie auch manchmal positiv überrascht - Sie denken zuerst 'Das stimmt doch nie' und dann stimmt die Story doch?
Ich hatte mal einen 60-Zoll-Fernseher mit einem kreisrunden Einschlag. Da wurde erzählt, das käme von einer türkischen Teetasse, die jemandem aus der Hand geglitten sei. Das wollte ich zuerst nicht glauben. Weil ich mit einer Türkin verheiratet bin, hatte ich aber schnell ein solches Teeglas griffbereit und habe es wie beschrieben aus der Hand gleiten lassen. Die Tasse flog mit dem schweren Boden voran und verursachte denselben kreisrunden Einschlag wie auf dem Foto, das mir vorlag. Oft ist es so, dass die seltsamsten Storys wahr sind.