Mario, Alessandro und Filomena wollten nach einer durchtanzten Nacht eigentlich nur noch ins Bett. Aber Mario ist einfach zu müde, um sich ans Steuer zu setzen. Er sieht die scharfe Kurve viel zu spät, der Wagen überschlägt sich, alle drei Studenten zwischen 20 und 25 Jahren kommen ums Leben. Nur Mitfahrer Michele überlebt schwer verletzt. Tragische Unfälle wie dieser im süditalienischen Molise sind in Italien kein Einzelfall. "Le stragi del sabato sera" - Die Blutbäder am Samstagabend: Dieser Ausdruck ist in Italien mittlerweile zum geflügelten Wort geworden.
Der Begriff steht für Autounfälle in den Nächten von Samstag auf Sonntag, in die fast immer Jugendliche verwickelt sind. Zu viel Alkohol, zu unerfahren und leichtsinnig am Steuer und zu müde: Eine tödliche Mischung. Dagegen will jetzt Transportminister Alessandro Bianchi mit einem "Anti-Unfall-Paket" rigoros vorgehen.
In Italien funktioniert nur Bestrafung
Künftig sollen Verkehrssünden nicht mehr als "Kavaliersdelikt" behandelt werden, wie das in Italien lange üblich war. Das Tempolimit auf den Autobahnen will der Minister auf 120 Stundenkilometer senken, bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Verkehrsordnung droht lebenslanger Entzug des Führerscheins. Telefonate mit dem Handy sollen sogar mit Freisprechanlage verboten werden. Und Jugendliche müssen den Plänen entsprechend demnächst ein kontinuierliches Training absolvieren. "Es ist unmöglich zu glauben, dass man Anfänger genau so wie Leute mit zehnjähriger Führerschein-Erfahrung behandeln kann", sagt Bianchi.
Der Minister weiß: In Italien funktioniert oft nur Bestrafung, um waghalsige Jugendliche auf die richtige Spur zu bringen - Beweis war die bereits vor Jahrzehnten eingeführte Anschnallpflicht. Das neue Gesetz trug anfangs eher zur Erheiterung als zur Sicherheit bei und T-Shirts mit aufgedrucktem Gurt wurden in Neapel bald zum Verkaufsschlager schlechthin. Erst als kontrolliert wurde und es deftige Bußgelder gab, griffen die Italiener endlich zum Sicherheitsgurt.
Auf der Suche nach Bewunderung und Unsterblichkeit
Aber warum riskieren die jungen Menschen von Padua bis Palermo so leichtsinnig ihre Leben? Ein Psychiater aus Bologna meint: "Es ist der Rausch der Geschwindigkeit einer Generation, für die Zeit Mangelware ist." Die Jugendlichen suchten die Bewunderung der Altersgenossen und das Gefühl, unsterblich zu sein. Auch in Deutschland gelten jugendliche Fahrer als besonders gefährdet. 2005 waren rund 20 Prozent der im Straßenverkehr Getöteten zwischen 18 und 25 Jahre alt. In Italien ist das Problem aber um einiges gravierender: Hier erhöhen Führerschein-Neulinge die Todesstatistiken rasant um 33 Prozent. Autounfälle sind im "Bel Paese" überhaupt die häufigste Todesursache für Männer unter 40 Jahren.
Für die Hauptursache der "Stragi del sabato sera" halten viele mangelnde Kontrollen. Besonders was Alkohol am Steuer angeht, drücken die "Carabinieri" auch gerne mal ein Auge zu. "Als ein Bekannter von mir aufgehalten wurde, weil er betrunken Schlangenlinien fuhr, hat die Polizei ihn einfach weiterfahren lassen", erzählt eine Deutsche, die in Rom lebt. "Sogar den Weg zu seiner Wohnung haben die Beamten ihm erklärt, weil er im Rausch die Richtung nicht mehr wusste."
Ein Song über jugendliche Raser
Schon 1994 hatte der italienische Superstar Jovanotti in einem Lied auf das Phänomen der "Blutbäder am Samstagabend" aufmerksam gemacht: "Kein Samstag, an dem mich nicht jemand mit 180 Stundenkilometern rechts überholt", schrieb er im Song "Si va via" und spricht von "einem Krieg, der 18-Jährige Opfer fordert". Warum die Jugendlichen nach durchtanzten Nächten über Italiens Straßen rasen, das weiß auch Jovanotti nicht. "Ich habe keine Antworten, nur meine Wut".