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Video Fahndung gegen die Zeit: Ludwigsburger Zentralstelle ermittelt weiter gegen Nazi-Verbrecher

STORY: Mehr als 75 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland und Europa ist die Arbeit für jene, die deren Helfer strafrechtlich verfolgen, nicht getan. Doch es ist ein Kampf gegen die Zeit, denn viele der Menschen, die einst in Konzentrationslagern Dienst taten, sind hochbetagt, wie Staatsanwalt Thomas Will weiß. Er leitet die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen - hier in Ludwigsburg "Man hat schon seit Jahrzehnten immer wieder die Frage an meine früheren Kollegen gestellt, war das jetzt das letzte Urteil. Das war damals nicht das letzte Urteil, das war gegen Demjanjuk nicht das letzte Urteil. Man kann es nicht sagen, es ist sicherlich eines der letzten Urteile, aber wir arbeiten dafür, und das ist auch unser Auftrag, dass wir weitere Verfahren abgeben. Und es sind ja bereits weitere Verfahren an die Staatsanwaltschaften bereits abgegeben, die noch zu Anklagen führen können, so dass es vielleicht doch nicht das letzte Urteil war." Zum 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar, auf den auch der Internationale Holocaust-Gedenktag fällt, sind in Deutschland derzeit noch eine Handvoll Fälle offen. Fünf Verfahren seien bei den zuständigen Staatsanwaltschaften eingereicht. "Also diese fünf Verfahren zum Konzentrationslager Buchenwald, zum Konzentrationslager Ravensbrück, Neuengamme und Sachsenhausen sind noch in Bearbeitung." Seit ihrer Gründung im Jahr 1958 hat die Zentralstelle 7.694 Ermittlungen zu Verbrechen eingeleitet, an denen teilweise mehrere Verdächtige beteiligt waren. Bisher wurden fast 18.700 Fälle vor deutschen Gerichten verhandelt. Gearbeitet wird mit der Umfangreichen Zentralkartei, aber auch digital. Die Zentralstelle in Ludwigsburg arbeite mit externen Stellen, mit Bundesarchiven, Gedenkstätten und ausländischen Quellen, so Will. Eine davon stehe derzeit aber nicht zur Verfügung. "Wir waren in den zehn Jahren, kann man sagen, vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine unzählige Male in Moskau, in Russland, aus Ermittlersicht ist es natürlich bedauerlich, dass diese Möglichkeit nicht mehr besteht im Moment." In den vergangenen Jahren sorgten in Deutschland verschiedene Anklagen für Aufsehen, so etwa der Prozess gegen den Lageraufseher John Demjanjuk in München, aber auch gegen eine KZ-Sekretärin in Itzehoe. "Unsere Überzeugung war, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, ob jemand unmittelbar tatnah eingesetzt ist oder etwas weiter entfernt. Sondern es kommt darauf an, ob er erkannt hat, oder sie, dass diese Massentötungen stattfinden und durch seine Handlung im Sinne dieses Erkennens auch einen Beitrag geleistet hat. Und dieser Beitrag kann auch darin liegen, dass man Berichte verfasst, sodass man hierdurch das Geschehen unterstützt." Die Justizministerkonferenz habe vor einigen Jahre festgelegt, dass weiter ermittelt werde, so Will - so lange es noch verfolgbare Täter:innen und Taten gebe. "Wir lange die Arbeit der zentralen Stelle ist, wird alleine schon dadurch bestimmt, das Mord nicht verjährt. Also so lange noch verfolgbare Täter leben, wird die Tatverfolgung sein." Da nicht nur die Täterinnen und Täter, sondern auch die Überlebenden des Holocausts sterben, besteht die Befürchtung, dass das Wissen über den Völkermord an sechs Millionen europäischen Juden im deutsch besetzten Europa zurückgehen oder geleugnet werden könnte. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage ergab, dass fast ein Viertel der nach 1980 geborenen Niederländer glaubt, der Holocaust sei ein Mythos oder die Zahl seiner Opfer sei stark übertrieben. Auch die anhaltenden Prozesse, die durch die Ermittlungen hier in Ludwigsburg erst ermöglicht werden, sollen dem entgegenwirken.
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Die noch lebenden Menschen, die einst in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Dienst taten, sind heute sehr alt. Das jedoch sei an sich kein Grund, sie nicht vor Gericht zu stellen, berichtet Thomas Will, Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Ein Besuch in Ludwigsburg zeigt, wie die Ermittler vorgehen - und warum ihre Arbeit wichtig ist, um die Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten wach zu halten.

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