Es war das Tierheim in der Süderstraße in Hamburg, das in der zweiten Augustwoche mit einer Meldung in der Hansestadt Aufsehen erregte: Weil die Einrichtung an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen war, verhängte sie einen Aufnahmestopp für Hunde und Katzen. 160 Hunde und 215 Katzen lebten zu dem Zeitpunkt dort, wie die leitende Tierärztin Urte Inkmann dem NDR sagte und einen Appell an Tierhalter richtete: Wer in der Urlaubszeit nicht wisse, wohin mit seinem Tier, solle es bitte nicht auf die Straße setzen, sondern im Freundes- und Bekanntenkreis fragen, ob jemand die Betreuung während der Ferien übernehmen könne.
Und wer ein heimatloses Tier finde und es nicht selbst betreuen könne, der solle sich an die Polizei wenden, riet das Tierheim in einer Pressemitteilung.
Eine gute Woche später gab es Entwarnung: Der strikte Aufnahmestopp wurde aufgehoben, weil inzwischen einige Tiere vermittelt worden seien. Ein neuer Aufnahmestopp sei jedoch nicht ausgeschlossen.
Die Hamburger Tierschützer sind nicht allein mit ihrer Not. In den vergangenen Wochen haben etliche Tierheime in Deutschland Alarm geschlagen: Sie sehen sich kurz vor dem Limit, steuern mit Wartelisten für Abgabetiere gegen die Krise oder stoppten deren Aufnahme ganz – zumindest zeitweise oder für einige Arten.
Tierheime sprechen von beispielloser Krise in diesem Jahr
Zwar sei es für Tierheime noch nie leicht gewesen, die aktuelle Lage sei jedoch extrem, heißt es auf Anfrage des stern dazu beim Deutschen Tierschutzbund. Denn zu den alljährlichen Urlaubsopfern – also Tieren, die ausgesetzt werden, weil die Ferien anstehen – spüren die Einrichtungen weiter die Folgen des Corona-Haustierbooms. Viele während der Pandemie angeschaffte Tiere landeten in den Heimen, allen voran Hunde und Katzen.
Zahlenmäßig waren Katzen die gefragtesten Neu-Haustiere in der Pandemie, geht aus Daten des Industrieverbands Heimtierbedarf hervor: Ihre Zahl stieg in Deutschland demnach im Jahr 2021 um gut eine Million auf etwa 16,7 Millionen Tiere an. Zuletzt waren es etwa 15,2 Millionen.
Auch 600.000 Hunde wurden neu angeschafft in den Zeiten von Lockdown und Home-Office. Ein Hund war für viele Menschen Trost und Abwechslung im öden Pandemie-Alltag und ein willkommener Begleiter bei Spaziergängen. Aktuell leben laut den Verbands-Zahlen in deutschen Haushalten etwa 10,6 Millionen Hunde und damit gut 300.000 weniger als im Pandemie-Jahr 2021.
Laut den reinen Zahlen erscheinen Hunde als das kleinere Problem, jedoch nur auf den ersten Blick: Denn mit ihnen haben Tierheime besonders große Schwierigkeiten und können sie oft kaum weiter vermitteln: Viele sind schlecht erzogen oder aggressiv, wenn unerfahrene Halter überfordert waren. Manche Hunde sind krank, weil sie aus dubiosen Quellen stammen.
Schon im April 2022 war laut dem Tierschutzbund bei einer Yougov-Umfrage herausgekommen, dass gut ein Fünftel der frisch gebackenen Tierhalter die Anschaffung des neuen Hausgenossen schon rasch wieder bereute.
Nach Recherchen des stern sehen sich Tierheime flächendeckend in Deutschland an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen. Manche Einrichtungen schweigen jedoch darüber, weil sie nicht riskieren wollen, dass Menschen ihre Haustiere einfach aussetzen.
Andere machen ihre Not öffentlich und verhängen zumindest vorübergehende Aufnahmestopps – in der Hoffnung, mit öffentlichem Druck die Situation zu verbessern. Auf Anfrage des stern legte der Deutsche Tierschutzbund eine Liste von Tierheimen vor, die sich in einer schwierigen Lage sehen. Die Aufzählung ließe sich erweitern, so die Auskunft. Hier die Beispiele in alphabetischer Reihenfolge:
- Das Tierheim Barsinghausen machte jüngst öffentlich, dass es kurz vor dem Aufnahmestopp stehe
- Im Tierheim Berlin sind die Hundehäuser überbelegt
- Einen Aufnahmestopp verhängte das Tierheim Buxtehude im Juli
- Das Tierheim Bonn sieht sich am Limit, meldete kürzlich ein örtlicher Radiosender
- Im Kreistierheim in Donaueschingen ist bei Katzen die Belastungs- und Kapazitätsgrenze erreicht, wie es im Juli hieß
- Das Tierheim Duisburg ist im Katzenbereich am obersten Limit
- Das Tierheim Ettlingen berichtete jüngst, es stoße in der Urlaubszeit an seine Grenzen. Die unzähligen Fundkatzen seien auffällig
- Im Tierheim Geesthacht müsse die Annahme von bestimmten Tieren verweigert werden, hieß es zuletzt aus der Einrichtung. Dort habe sich die Zahl der Fundtiere teils vervierfacht
- Das Tierheim Gelnhausen wird "überrollt von Tieren", wie es heißt. Teils könnten sie nicht mehr aufgenommen werden
- Die Kapazitäten des Tierheims Hamm sind nach eigener Einschätzung ausgereizt. Auch dorthin seien deutlich mehr Tiere als sonst gebracht worden
- Das Tierheim Hannover verhängte im Juli einen Aufnahmestopp.
- Im Tierheim Heidenheim finden akut schutzbedürftige Hunde keinen Platz mehr, weil alle Plätze von schwer vermittelbaren Hunden belegt sind
- Im Tierheim Henstedt-Ulzburg können wegen Überfüllung keine neuen Hunde, Katzen und Kaninchen mehr aufgenommen werden, heiß es im Juli
- Das Tierheim Uhlenkrog (Kiel) nimmt laut einer Information vom Juli keine Katzen und Hunde mehr auf
- Im Tierheim Leipzig in Breitenfeld sind alle Räume und Gehege brechend voll, hieß es jüngst
- Im Tierheim Linxbachhof ist der Zulauf an Tieren – auch an misshandelten und kranken – so hoch wie nie, wie die Betreiber im Juli mitteilten
- Einen Aufnahmestopp verkündete das Tierheim Lüneburg im Juli
- Das Tierheim Melle berichtete im Juli in der Presse: "Wir sind ein eher kleines Tierheim mit Platz für vier Hunde, 40 Katzen und ein paar Kleintiere. Derzeit ist es hier mehr als voll. So haben wir derzeit 60 Katzen. Wir bekommen überdurchschnittlich viele Anfragen, sogar noch mehr als 2022, für Abgabehunde, -Katzen und -Kaninchen"
- Das Tierheim der Tierfreunde Münster ist bei den Katzen überfüllt, wie es im Juli hieß
- Das Tierheim Nürnberg hat bereits seit Monaten einen Aufnahmestopp, da es in allen Bereichen komplett ausgelastet ist. Seit Monaten können keine Tiere von Privatpersonen mehr aufgenommen werden
- Der Tierschutzverein Prignitz erließ Ende Juni einen Aufnahmestopp für seine Auffangstation in Perleberg
- Das Tierheim Remscheid gab im Juli bekannt, es könne aktuell keine neuen Katzen aufnehmen, weil so viele abgegeben werden
- Das Tierheim Salzgitter teilte im Juli mit, es können keine Tiere mehr abgegeben werden
- Das Tierheim Solingen kann keine neue Katzen aufnehmen, weil so viele abgegeben werden, wie es im Juli hieß
- Das Tierheim Straubing verhängte jüngst einen Aufnahmestopp
- Das Tierheim Troisdorf sieht sich am Limit, wie Radio Bonn/Rhein-Sieg berichtete.
Quellen: NDR, NDR, "Nordbayern.de", "Badische Neueste Nachrichten"
Fünf Irrtümer über Katzen

Sehen Sie in der Fotostrecke: Katzen können sich allein versorgen und brauchen den Menschen nicht – das sind nur zwei von vielen Irrtümern über die beliebten Tiere. Und wussten Sie, dass es in Deutschland jede Menge Straßenkatzen gibt?