Nach zwei Stunden hat das verdammte Schiff gewonnen. Keine Chance. Alles dreht sich. "Hier, nimm die mal", hatte Boris Herrmann, der Skipper, am Nachmittag gesagt, bevor ich an Bord geklettert war. Er hielt mir eine kleine graue Tablette hin. Gegen Seekrankheit. Es war ein Nachmittag mit mäßigem Wetter Ende Juli, und ich dachte: Gott, wie schlimm kann so eine Segeltour schon sein?

Ich bin 31 und hatte keine Ahnung. Jetzt rast das Schiff, mit dem Greta Thunberg nach New York segeln wird, mit 25 Knoten an der französischen Atlantikküste entlang. Wobei die Worte "segeln" und "rasen" eigentlich schon die ersten Untertreibungen sind. Die "Malizia II" buckelt und bockt. Wie ein krawalliger Delfin flippert sie über die Wellenberge. Alle paar Meter hebt es das Schiff aus dem Wasser, dass man denkt: Gleich hebt sie ab! Allerdings nur für eine Sekunde. Im nächsten Augenblick kracht sie mit ungeheurer Wucht ins Wasser. Von rechts und links fluten meterhohe Wellen das Heck, auf dem sich die Crew befindet und auf dem es sich jetzt anfühlt wie auf einer außer Kontrolle geratenen Waschmaschine.

"This boat is crazy" – die "Malizia II"-Crew ist außer sich
Ich sitze auf einem weißen Klappsitz unter dem Vordach und halte mich an einem Seil fest. Was auch nötig ist, weil es einen sonst schnell aus dem Sitz schleudern würde. Zur Sicherheit hat man mich noch zusätzlich mit einem Stahlseil auf dem Boden eingeklinkt. "Wir fahren in einen Sturm, und das wird intensiv", hat Herrmann kurz nach der Tablette gesagt. Dass das mit dem Sturm geklappt hat, kann man an dem kleinen Bildschirm erkennen, der jetzt vor mir immer neue Höchstgeschwindigkeiten auf die Brücke funkt. 30 Knoten. 31 Knoten. 32 Knoten. Die Crew jubelt. "This boat is crazy", ruft einer der Männer gegen den ohrenbetäubenden Lärm des knatternden Großsegels an.
Währenddessen rollt Herrmann, einer der besten Hochseesegler Deutschlands, der für spektakuläre Bilder an diesem Tag absichtlich in den Sturm gefahren ist, mit einem Selfiestick über den Boden und johlt wie ein kleiner Junge. Wie ich (und bald auch Greta) trägt er einen Hochseesegleranzug mit Gummikragen, ohne den man an Bord klitschnass wäre. Meiner gehört Pierre Casiraghi, dem Prinzen von Monaco. Er ist Herrmanns Segelpartner und wird bei Gretas Reise zur UN dabei sein. Während die nächste Welle über das Heck schwappt, frage ich mich, ob dem Prinzen die roten Flecken auf seiner Jacke auffallen werden. Den Rote-Bete-Smoothie am Flughafen hätte ich mir sparen sollen.

Der Auftrag lautete, sich einen Eindruck von dem Schiff zu verschaffen, das Greta Thunberg über den Atlantik bringen soll. Denn die "Malizia II", das wird jedem klar, der einmal einen Fuß auf das Boot gesetzt hat, ist keine schicke Segelyacht. Sondern, wie Herrmann sagt, "eine kompromisslose Rennyacht ohne jeglichen Komfort". Die "Malizia II", sechs Meter breit, 18 Meter lang, kostet 5,5 Millionen Euro und gehört einem reichen Geschäftsmann aus Süddeutschland. Sie hat einen 30 Meter hohen Mast und einen Rumpf aus Carbon. Gebaut wurde sie eigentlich für die "Vendée Globe", die wohl härteste Segelregatta der Welt, an der Herrmann im nächsten Jahr teilnehmen will. Man muss dabei etwa drei Monate rund um den Globus segeln – allein. Was einen zum ersten Problem führt, mit dem Greta, ihr Vater und der Kameramann an Bord konfrontiert sein werden: dem Platz. Den gibt es nämlich kaum.
Es wird eng für Greta Thunberg
Klettert man unter Deck, steht man in einer düsteren, nackten Carbonhöhle, keine fünf Quadratmeter groß. Es gibt weder Isolierung noch Deckenlampe, sodass Greta eine Kopflampe tragen muss wie ein Bergarbeiter. Durchzogen ist das Schiff von einem kniehohen Gerüst aus Stringern und Spanten, an denen man sich blaue Flecken holt. Den meisten Platz nimmt der Bordcomputer ein, der Herrmann bei seiner Überfahrt mit Informationen über Winde und Strömungen versorgt. Das Ziel für die Reise mit Greta lautet klar: Stürme umfahren. Anders als heute. Sehr viel gemütlicher wird das die Überfahrt aber nicht machen. Denn auch ohne Sturm ist der Lärm unter Deck ohrenbetäubend. Einen Tisch, an dem Greta in Ruhe ihre veganen Campinggerichte essen könnte, gibt es nicht. Ebenso wenig eine Dusche oder ein Klo (Eimerlösung). Und das Schlafen kann eine ziemlich feuchte und kalte Angelegenheit werden.
Greta und ihr Vater übernachten in zwei Rohrkojen, die rechts und links vom Bordcomputer angebracht sind und deren Luxus darin besteht, dass man die Vorhänge zuziehen kann. Der Prinz, der Kameramann und Herrmann schlafen im Bug. Dort, wo normalerweise Werkzeug und Taue liegen. Fragt man Herrmann, ob Greta wirklich weiß, worauf sie sich mit der "Malizia" einlässt, sagt er: "Greta ist eine sehr klar kalkulierende, analytische Person, die nicht so schnell hysterisch wird. Wir haben sie sehr genau über die Situation an Bord informiert." Auch über das Thema Seekrankheit habe man gesprochen. Herrmann hat Greta Tabletten zum Testen nach Schweden geschickt. Sicher ist sicher.
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