Grubenunglück in der Türkei Gewerkschaft ruft zu Massenstreiks auf

Immer mehr Tote, immer größere Proteste: Nach dem Grubenunglück in der Türkei gehen Tausende auf die Straße. Die Wut konzentriert sich auf Ministerpräsident Erdogan, die Gewerkschaft ruft zum Streik.

Der größte türkische Gewerkschaftsbund Türk-Is hat seine Mitglieder nach dem verheerenden Grubenunglück zur Niederlegung der Arbeit an diesem Donnerstag aufgerufen. Gewerkschafter sollten stattdessen am Arbeitsplatz der mehr als 270 Bergleuten gedenken, die bei dem Unglück vom Dienstag an der Zeche Soma ums Leben kamen, teilte Türk-Is am Mittwoch mit. Der Gewerkschaftsbund sprach im Zusammenhang mit der Katastrophe vom größten "Mord" am Arbeitsplatz in der Geschichte der türkischen Republik, gegen den protestiert werden müsse. Bei Türk-Is sind 35 Einzelgewerkschaften organisiert.

Die Bergbau-Katastrophe mit mindestens 274 Toten löste bereits am Mittwoch in der Türkei heftige Proteste gegen die Regierung aus. Die Polizei ging am Mittwoch in Ankara und Istanbul mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstranten vor.

Buhrufe gegen Ministerpräsident Erdogan

Die Demonstranten in Istanbul forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung wegen des Unglücks. Einige hielten Plakate in die Höhe, auf denen stand: "Kein Unfall - Mord". Die Polizei hinderte die Demonstranten daran, weiter in Richtung des zentralen Taksim-Platzes vorzudringen.

In Ankara hatten Hunderte Demonstranten am Nachmittag versucht, zum Energieministerium vorzudringen. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, aus den Reihen der Demonstranten seien Molotow-Cocktails und Steine geworfen worden. Die Sicherheitskräfte hätten über Megafon auf die von der Regierung verfügte Staatstrauer für die Opfer der Katastrophe hingewiesen.

In Soma wurde Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach einem Besuch der Unglückszeche bei einem Rundgang durch die Stadt ausgebuht. Verärgerte Anwohner schmissen Fensterscheiben ein und forderten seinen Rücktritt. Beim Verlassen der Stadt traten sie gegen Erdogans Auto.

Zahl der Toten steigt auf 274

Seit der Explosion in dem Kohlebergwerk Soma am Dienstag waren immer mehr Tote aus dem Schacht geborgen worden, inzwischen ist die Zahl auf 274 angestiegen. Noch rund 120 Kumpel seien unter Tage eingeschlossen, sagte Ministerpräsident Erdogan nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu. 80 Menschen seien bei dem Brand in dem Kohlebergwerk verletzt worden. Die Katastrophe gilt inzwischen als das weltweit schwerste Grubenunglück seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Energieminister Taner Yildiz sagte in Soma, die Hoffnung schwinde, noch Überlebende zu retten: "Es ist schlimmer, als zunächst erwartet." Zum Zeitpunkt des Unglücks am Dienstagnachmittag seien 787 Arbeiter in der Zeche gewesen. Medienberichten zufolge hatte ein elektrischer Defekt in einem Trafo zunächst eine Explosion und dann einen Brand verursacht, der nach Angaben von Yildiz in 150 Metern Tiefe ausbrach. Wegen des Unglücks rief die Regierung eine dreitägige Staatstrauer aus. Im ganzen Land und an den türkischen Vertretungen im Ausland wurden die Flaggen auf halbmast gesetzt.

AKP soll Sicherheitscheck verhindert haben

Ministerpräsident Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül sagten wegen des Unglücks Auslandsreisen ab. Türkische Medien berichteten, die Regierungspartei AKP habe im vergangenen Monat Forderungen der Opposition zurückgewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen an der Zeche Soma zu überprüfen. Die Bergwerksgesellschaft teilte mit, die letzten Sicherheitsüberprüfungen habe es vor zwei Monaten gegeben.

DPA
kng/DPA

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