Hilfe für Haiti Die verrückte deutsche Ärztin

Im bitterarmen Karibikstaat Haiti gilt sie als die verrückte Ärztin aus Deutschland. Seit mehr als zwölf Jahren kümmert sich Barbara Höfler um die Ärmsten der Armen - und behandelt sie in ihrer mobilen Arztpraxis.

Barbara Höfler kann nicht alle 400 000 Slumbewohner kennen, aber umgekehrt scheinen alle Slumbewohner über sie Bescheid zu wissen. Kinder mit großen dunklen Augen laufen nebenher, rufen "Barbara, Barbara, Barbara", während die Ärztin ihren Pick-up über die holprigen Straßen der Cité Soleil manövriert - des größten Elendsviertels der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Seit 1998 verbringt die inzwischen 72-Jährige den Großteil ihrer Zeit in Haiti, wo sie mit dem Geländewagen, der zu einem mobilen Behandlungszimmer umgebaut ist, zu ihren Patienten fährt.

"This is the crazy doctor from Germany", sollen Amerikaner einmal über Barbara Höfler gesagt haben. Die verrückte Ärztin aus Deutschland - das müssen auch alte Weggefährten aus ihrer Heimat denken. In Köln hatte sie zuletzt als Medizinaldirektorin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein gearbeitet, wurde aber wegen einer Fraktur am Fuß vorzeitig pensioniert, wie die gebürtige Wuppertalerin erzählt.

Der Fuß war dick, manch einer sagte, sie werde nie wieder gehen können. Trotzdem reist Höfler 1997 erstmals nach Haiti - mit einer Gruppe, die in Deutschland Spenden für den bitterarmen Karibikstaat gesammelt hatte. Während des achttägigen Besuchs trifft sie Straßenkinder, entdeckt bei ihnen Krankheiten. Etwa bei einem Jungen, der sich seit drei Monaten mit einem Geschwür unter dem Fuß plagte. "Ich hatte aber nichts bei mir als meine Handtasche", erinnert sich Höfler, die zwölf Jahre lang eine eigene allgemeinmedizinische Praxis hatte.

Zurück am heimischen Gartenteich, reift in ihr die Entscheidung: Für ein Jahr als Ärztin nach Haiti zu gehen. In Deutschland bereitet sich Barbara Höfler vor, studiert Tropenmedizin, lernt Kreolisch, die Sprache der Haitianer. Das alles mit fast 60 Jahren.

"Und dann bin ich im August 1998 hierhergekommen", sagt Höfler. Bei einem Jahr blieb es nicht. Bis heute ist sie in Haiti und unterstützt dort die Jugendarbeit der katholischen Don-Bosco-Mission - trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer Erlebnisse beim Erdbeben vom 12. Januar 2010.

Sie schläft, als sie gegen 16.53 Uhr von einem furchtbaren Geräusch geweckt wird. "Es war wie in einem Alptraum, in dem eine Monsterlokomotive auf einen zugerast kommt", sagt Höfler. Sie denkt an einen Schwertransport, der vorbeifährt und die Häuser zum Wackeln bringt. "Dann fielen in der Küche die Schränke um, die Flaschen zerschellten am Boden", erinnert sich Barbara Höfler. Sie kann sich ins Freie retten.

Für die Zukunft Haitis erwartet Höfler wenig Gutes, und dafür macht sie auch die Haitianer selbst verantwortlich - eine These, die so von keinem Politiker öffentlich geäußert würde. Viele der mindestens 1,2 Millionen obdachlos gewordenen Menschen hätten es sich unter ihren Plastikplanen in den Auffangcamps bequem gemacht und wollten den Aufbau ihrer zerstörten Häuser gar nicht anpacken, sagt die streitbare Frau.

Höfler kritisiert die ihrer Meinung nach in Haiti zu stark verbreitete Obrigkeitshörigkeit. Aber die "Mutter Courage" der Cité Soleil ist in Port-au-Prince selbst eine Autorität. "Ich kann ganz schön energisch sein", sagt sie und erzählt von einer Marktszene. Eine Händlerin, die um einen Dollar gebettelt hatte, blaffte sie im selben fordernden Ton an: "Gib mir Kartoffeln für deinen Dollar! Ich kaufe dir etwas ab, aber ich schenke dir nichts." Ein Ordensmann von Don Bosco sagt: "Barbara Höfler ist hart, aber herzlich."

Warum sie immer noch in Haiti ist? "Weil ich diese Kinder so liebe", sagt Höfler. Und beinahe versagt der sonst so resoluten Frau die Stimme.

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Michael Kieffer, DPA

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