Hurrikan "Katrina" Ein Desaster von biblischem Ausmaß

"Katrina" könnte New Orleans, eine der schönsten Städte der USA, in ein Sumpfbecken mit giftigen Chemikalien und Müll verwandeln.

Wenn der Hurrikan am Montag über den Großraum New Orleans wegzieht, werden möglicherweise mehr als eine Million Menschen obdachlos, fürchten Experten. In den legendären Friedhöfen der teilweise unter dem Meeresspiegel liegenden Stadt würden Särge aus den Gräbern geschwemmt. Der Metropole drohe ein Desaster von biblischem Ausmaß. Selbst in normalen Zeiten sind in New Orleans Pumpen in Betrieb, Deiche sollen die Stadt am Mississippidelta vor Überschwemmungen durch den Fluss oder den nahen See Pontchartrain schützen. Gegen einen Wirbelsturm der Kategorie 4 oder 5 hat dieses System keine Chance, sind sich Experten sicher. "Katrina" peitschte mehr als acht Meter hohe Wellen vor sich her. Alles deute auf ein "worst-case-Szenario" hin, sagte Ivor van Heerden, der stellvertretende Leiter des Hurrikan-Zentrums der Universität von Louisiana, am Sonntag.

Computersimulationen des Zentrums zeigten, dass bis zum (morgigen) Dienstag weite Teile von New Orleans bis zu neun Meter unter Wasser stehen könnten. Im französischen Viertel könnten sechs Meter hohe Überflutungen drohen. Am Montagmorgen (Ortszeit) hieß es, die schwersten Windböen könnten New Orleans möglicherweise erspart bleiben. Schätzungen zufolge werden durch die heftigen Sturmböen 60 bis 80 Prozent aller Häuser zerstört. Wenn man die Flutschäden dazurechnet, könnten die meisten Menschen im Großraum New Orleans ihr Dach über dem Kopf verlieren. Van Heerden sprach von einem "Flüchtlingslager für eine Million Menschen". "Die Stadt könnte nach 'Katrina' nicht mehr die gleiche sein", warnte Max Mayfield, Direktor des Nationalen Hurrikanzentrums. Abgesehen von Hurrikan "Andrew", der 1992 Miami heimsuchte, haben Meteorologen keinerlei Erfahrung mit Wirbelstürmen der Kategorie 5 in dicht besiedelten Gebieten. Es sei selten, dass Stürme über einen längeren Zeitraum solche starken Windböen mit sich führten, erklärte Richard Pasch von Nationalen Hurrikanzentrum. Auch wenn "Katrina" in der Nacht zum Montag zunächst wieder in die Kategorie 4 zurückgestuft wurde, rechneten die Meteorologen damit, dass er seine zerstörerische Kraft behält.

"Wir sprechen von einer unglaublichen Umweltkatastrophe"

Fachleute weisen seit Jahren auf die gefährliche Situation in New Orleans hin, zumal die Stadt in den vergangenen sieben Jahrzehnten hunderttausende Hektar Feuchtgebiet an der Küste verloren hat. Die Sümpfe und Buchten südlich der Stadt dienen als Puffer und saugen teilweise die Wassermassen auf, die ein Hurrikan an die Küste peitscht. Doch die Deiche könnten die Katastrophe bei einem derart starken Wirbelsturm aber nur verschlimmern, warnen die Experten. Selbst wenn die Dämme halten, könnten sie von mehr als acht Meter hohen Wellen überspült werden - und New Orleans dürfte dann einem sinkenden Boot gleichen, in das immer mehr Wasser schwappt, das nicht abfließen kann. Zuletzt hatte New Orleans vor 40 Jahren mit einem nur annähernd starken Hurrikan zu kämpfen. "Betsy", ein Wirbelsturm der Kategorie 3, setzte Teile der Stadt bis zu zwei Meter tief unter Wasser. Seither blieb die Stadt verschont: Hurrikan "Georges" steuerte 1998 zwar direkt auf New Orleans zu, drehte aber in letzter Minute ab und traf die Staaten Mississippi und Alabama. Vor drei Jahren verlor "Lilli" in der Mündung des Mississippi den größten Teil ihrer Kraft. Und "Ivan" streifte New Orleans im vergangenen Jahr nur knapp. Jetzt könnten die Rettungskräfte schon in wenigen Tagen mit dem entstandenen gigantischen Wasserbecken mit jeder Menge Müll und Abwässern überfordert sein, warnte van Heerden. "Wir sprechen von einer unglaublichen Umweltkatastrophe", betont er.

Matt Crenson/AP

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